Die Gestaltung von Knotenpunkten im Straßenverkehr im Vergleich, Niederlande – Deutschland
Teil 1 – Einleitung
Teil 2 – Designelemente
Teil 3 – Funktionalität
Teil 4 – Fallbeispiele
Teil 5 – Umbau einer deutschen Kreuzung
Teil 6 – Umbau einer großen deutschen Kreuzung
In den Niederlanden wurde Mitte der 70er Jahre schon erkannt, dass die Städte nur lebenswerter werden, wenn man die Bedingungen zur Nutzung des Fahrrads erheblich verbessert und das Radfahren so attraktiv macht, so dass die Menschen vor allem innerstädtisch vom Auto auf das Fahrrad umsteigen. Diese konsequente Fokussierung auf den Radverkehr insbesondere drückt sich in vielen Details aus. Wie in dem Beitragsbild einer Kreuzung in Darmstadts Partnerstadt Alkmaar zu sehen, fällt sofort der Radweg durch seine charakteristische Rotfärbung ins Auge. Gibt es in unserem Nachbarland Radverkehr in der Nähe von schnellem motorisiertem Verkehr, werden die Flächen für den Radverkehr baulich getrennt. Insbesondere an Kreuzungen.
Das geht in den Niederlanden in der Tat sogar soweit, dass die Rotfärbung durchgängig und die Radverkehrsanlagen schwellenlos gestaltet ist. Eine Konsequenz aus der Erkenntnis, dass für eine gelungene Verkehrswende eben nur das Fahrrad der glaubwürdige innerstädtische Konkurrent zum Auto sein kann. Dieser taktische Grundgedanke ist es, der die Weichen stellt für saubere, ruhigere und sichere Städte und er ist diametral zu dem in deutschen Städten und Kommunen gepriesenen Kredo der Gleichberechtigung unter den Verkehrsmittelnutzern.
Man geht überdies davon aus, dass zur Vermeidung von Kollisionen Radfahrer und Fußgänger oft besser miteinander kommunizieren, als Radfahrer und motorisierte Fahrer. Diese Feststellung hat erst die modernste aller niederländischen Kreuzungs-Designkonzepte möglich gemacht, der Simultangrünkreuzung. Bei dieser Form der Kreuzung fahren Radfahrer aus allen Richtungen gleichzeitig quer über die Kreuzung in die Richtung ihrer Wahl. Das hört sich völlig verrückt an und erinnert an den Kurzfilm „Rush Hour“ des Argentiniers Fernando Livschitz:
Wie nah dran dieses surreale Werk jedoch am Alltag real existierender niederländischer Kreuzungen ist, zeigt dieser Film von David Hembrow, Autor des Blogs A View From The Cycle Path
Diese unterschiedliche Qualität der Kommunikation zwischen den Verkehrsmittelnutzern und die Tatsache, dass Unfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern zudem deutlich weniger schwer ausfallen, als zwischen Rad und Kfz, ist auch ein Grund, warum in den Niederlanden der Radverkehr hauptsächlich neben den Gehwegen geschützt im Seitenraum geführt wird. Das ist nicht nur objektiv sicherer, die meisten Radfahrer fühlen sich dort auch subjektiv sicherer und so macht Radfahren mehr Spaß. Und wenn das so ist, fahren mehr Menschen Rad.
Planungsprinzip für den Straßenbau in den Niederlanden ist die sogenannte Nachhaltige Sicherheit (“Duurzaam veilig”- auf niederländisch). Gebaut wird für den Menschen, Menschen machen Fehler. Mit dem Ziel „Null Verkehrstote“ muss eine Infrastruktur diese Fehler verzeihen und schwere Unfälle vermeiden helfen. Was auf der Strecke durch die bauliche Trennung zwischen Rad, Kfz und Fuß geschieht, wird auf die Kreuzungspunkte übertragen. Denn, wenn Radfahrer und Autoverkehr sich kreuzen, kann es gefährlich werden. In den Niederlanden wurde das früh erkannt, und die Knotenpunkte dementsprechend gestaltet, um das Unfallrisiko auf ein Minimum zu reduzieren.
Die folgende Beitragsreihe wird sich mit der Genialität der niederländischen Ingenieurskunst des Kreuzungsdesign beschäftigen. Sie wird darstellen, dass der Radverkehr sehr wohl bei der Gestaltung der Kreuzungen berücksichtigt werden kann und sie wird zeigen warum diese Kreuzungen so gut funktionieren, was sie von unseren Knotenpunkten unterscheidet, und was sich die deutsche Kreuzung noch abgucken kann.
Vielen Dank für diese super Serie!
Eine große Hilfe zur Veranschaulichung für andere Initiativen und Städte!
Viele Grüße aus Hamburg
Vielen Dank nach HH.
Kurios, dass hier behauptet wird, dass das Unfallrisiko in den Niederlanden auf ein Minimum reduziert worden sei. Abgesetzte Radwege an Kreuzungen gab es in Deutschland in den 80ern auch noch in den Straßenbaurichtlinien. Dann machte man Studien und fand heraus, dass fahrbahnnahe Radwege sicherer sind. In Deutschland wurde umgebaut, die Unfälle gingen zurück. Inzwischen sind die Unfallquoten in Deutschland geringer als in den Niederlanden. https://radunfaelle.wordpress.com/vergleich-de-nl/
Hallo Heidi. Vorsicht mit der verlinkten Seite. Besser das dazu lesen: https://velocityruhr.net/blog/2016/12/25/postfaktisch/. Man kann das Niederländische Modell noch so madig reden. Die Zahlen sagen was anderes. Die Unfallrisikowahrscheinlichkeit für Radfahrende ist in Berlin 12fach höher als in Amsterdam.
Achtung, bitte nicht von Pro-Fahrrad NGOs und anderen Radwegeaktivisten behumsen lassen! Dieser jüngst auch von Greenpeace bei der publizierten Korrelation von Unfallrisiko und Radinfra-Investition im Städtevergleich verwendete Faktor kann nie und nimmer stimmen.
Nach https://www.swov.nl/en/publication/verkeersveiligheidsanalyse-gemeente-amsterdam gibt es jährlich ca. 600 schwerverletzte Radfahrer in Amsterdam. Das liegt von den Absolutzahlen gesehen in etwa auf dem Niveau von Berlin (in 2017: 681 SVL). Da B aber 4,5 mal so viele Einwohner hat wie Amsterdam, müssten die Einwohner von Amsterdam pro Kopf über 50x (4:5 x 12) soviel radeln wie die Berliner, um den genannten Faktor zu erreichen. Schlicht unmöglich, der modal split liegt nur beim rund dreifachen. Der Grund für den scheinbaren Sicherheitsvorteil ist eine offensichtlich besonders gravierende Untererfassung von Leichtverletzten in NL (gilt übrigens genauso für DK/CPH).
Aus welcher Quelle stammen bitte diese „12“ als Faktor?
Nach dieser Quelle (https://www.swov.nl/sites/default/files/publicaties/rapport/r-2014-35.pdf, S.8) gibt es in Amsterdam im langjährigen Mittel jährlich ca. 600 schwerverletzte Radfahrer. Nach den Zahlen der Berliner Polizei (https://www.berlin.de/polizei/_assets/aufgaben/anlagen-verkehrssicherheit/radfahrer2017.pdf) sind es in B 2013-2017 mit im Mittel 650 schwerverletzten Radlern p.a. ähnlich viele. Berlin hat aber mit 3,6 Mio Einwohnern das 4,5fache von AMS mit 800.000, und der Modal Split Fahrrad in B beträgt mit 13% (https://www.berlin.de/senuvk/verkehr/politik_planung/zahlen_fakten/mobilitaet_2013/) knapp die Hälfte von AMS mit 25% (http://3.bp.blogspot.com/-lNuqMEHzEro/VrTClOZA3lI/AAAAAAAAF50/UQMCATIU6as/s1600/Schermafbeelding%2B2016-02-05%2Bom%2B16.18.46.png).
Wer hilft mir auf die Sprünge
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