PIMP DEIN‘ RADWEG N°10 – Löwentor

Löwentor PdR_Titelbild

Gut gebrüllt Löwen!

Koordinaten_Pikto_PdR10

Seit guten 100 Jahren blicken sechs Löwen[1] am Eingang des Parks Rosenhöhe hinab auf eine Brücke, die sich über die Odenwaldbahn erstreckt. Diese sandsteinerne Brücke ist noch viel älter. Sie ist mit über 150 Jahren Darmstadts ältestes Brückenbauwerk.

Als die sechs Löwen noch sehr klein waren, hatten sie eine andere Aussicht. Sie waren zunächst auf dem heutigen Weltkulturerbe Mathildenhöhe zu Hause, wo sie im Rahmen der letzten Ausstellung der Künstlerkolonie 1914 auf denselben sandsteinernen Doppelsäulen thronten, die sich heute am Eingang des Hochschulstadions befinden. Mit 12 Jahren zogen die im Volksmund gerufenen „niesenden Igel“ an die Seiterswegbrücke[2].

Seiterswegbrücke
Abb. Seiterswegbrücke

An der Stelle, an der der Seitersweg auf die Wolfskehlstraße trifft, zwischen Brücke und Löwentor, liegt ein Platz, der seit Mitte der 90er Jahre Bernhard-Sälzer-Platz heißt[3]. Ein Teil des Platzes wurde 2007 auf die Initiative des Fördervereins Park Rosenhöhe neu gestaltet. Jedoch beschränkte sich diese Umgestaltung auf die Fläche vor den Löwensäulen bis zu der Fahrbahn. Der Rest der Fläche hat mit einem Platz im städtebaulichen Kontext wenig zu tun, sie ist wie viele „Platz“ genannten Flächen weitgehend dem Verkehr vorbehalten, also eine Fläche auf der man vor allem im Auto den Raum durchschreitet und nur in den Randlagen gibt es Flächen, auf denen das sonstige öffentliche Leben stattfindet, auf denen man beispielsweise auch verweilen mag.

In den letzten Jahrzehnten ist das Auto nicht nur an den Kreuzungen der großen Landes- und Bundesstraßen prioritär behandelt worden. Auch bis in die Wohnviertel hinein ist das autogerechte Design flächendeckend umgesetzt worden. Der Bernhard-Sälzer-Platz eignet sich in vielerlei Hinsicht besonders gut als Negativbespiel für eine solche kleine Kreuzung.

Der Bernhard-Sälzer-Platz eignet sich in vielerlei Hinsicht besonders gut als Negativbespiel für eine kleine Kreuzung, bei der das Auto prioritär behandelt wurde.

Löwentorhist. Foto: Mathildenhöhe 1914
Abb. Löwentor 1914 – Mathildenhöhe vor dem Umzug an die Rosenhöhe (Quelle: Denkmalpflege-Hessen)
Löwentor_heute
Abb. Löwentor 2023 – Rosenhöhe

Warum das so ist, erklären die sechs Löwen, die in den letzten Jahrzehnten genug Zeit hatten, die Defizite an der Kreuzung zu analysieren (Löwen von links nach rechts):

Löwe 1 – Der Brüller für Raumplanung

Ein Platz zwischen dem Weltkulturerbe Mathildenhöhe und der Rosenhöhe, zwischen der ältesten Brücke der Stadt und uns Löwentorwächtern braucht eine ebenbürtige Platzgestaltung, die mit diesen Kulturdenkmälern respektvoll umgeht. Es wird Zeit, dass sich die Verkehrsplanung an diesem Ort dem Städtebau unterordnet. Ein Platz, der „Platz“ im Namen trägt, sollte auch in erster Linie ein Platz sein und nicht nur ein Verkehrsknotenpunkt.

Roarrrrrr!

Löwentor_Panorama West
Abb. Bernhard-Sälzer-Platz – Panorama West

Löwe 2 – Der Brüller für Verkehrsnetze

Und trotzdem ist der Platz auch ein Verkehrsknoten, an dem sich die Verkehrslinien unterschiedlicher Verkehrsteilnehmer schneiden. Es ist ein Knotenpunkt, an dem Fußgänger, Radfahrerinnen, Autofahrer und andere aufeinandertreffen.

Und dennoch ist der Asphalt der Fahrbahn das auf dem Platz beherrschende Element. Die Fahrbahn ist trotz des eher geringen Verkehrsaufkommens in Nord-Süd-Richtung eine störende Zäsur im Wegeverlauf anderer Verkehrsteilnehmer, die über die Brücke kommen und den Seitersweg folgen oder das Ziel Rosenhöhe haben. Manche Autofahrer*innen befahren die Anliegerzone illegal. Viele fahren zu schnell.

Roarrrrrr!

Löwentor_Panorama Ost
Abb. Bernhard-Sälzer-Platz – Panorama Ost

Löwe 4 – Der Brüller für weiche Verkehrsteilnehmer

In der Wolfskehlstraße gibt es für Fußgänger Gehwege, die kaum breit genug sind, dass ein Vater neben seinem Kind laufen kann. Viele Gehwege enden einfach, ohne die Bordsteine barrierefreie abzusenken. Löwen oder Menschen in Rollstühlen sind hier nicht willkommen.

Wegebeziehungen für Fußgänger* und Radfahrer*innen sind meist unklar, die Wege sind lang. Die Asphaltfläche der Kreuzung ist für die Belange des Fuß und Radverkehrs viel zu überdimensioniert. An der Brücke gibt es keine Aufstellflächen für ein sicheres Queren für Fußgänger und Radfahrende. Ein Zebrastreifen wäre wünschenswert. Nicht zuletzt, um den zahlenmäßig überwiegenden Fuß- und Radverkehr in West-Ost-Richtung zu betonen und um dem illegalen Durchgangsverkehr das Durchfahren nicht zu erleichtern.

Roarrrrrr!

Löwe 3 – Der Brüller für Unfallsicherheit

Man muss sich vorstellten, früher durften über die Seitersbrücke noch Autos fahren. 2017 ist sie aus Gründen des Denkmalschutzes für den Autoverkehr gesperrt worden. Bei der Sanierung der Brücke wurde der Asphaltbelag entfernt und durch ein mit dem Rad gut befahrenes Pflaster ersetzt.

Seit der Brückensanierung haben Fahrzeuge, die aus Richtung Norden auf der Wolfskehlstraße kommen, dem Radverkehr, der über die Brücke von rechts kommt, Vorfahrt zu gewähren. Aber: 1. Hält sich kaum jemand daran und 2. Liegt das u.a. daran, dass man Radfahrende dort kaum sehen kann, da das hohe Brückengeländer ein bauliches Sichthindernis darstellt. Trotz der baulichen Umstände wird der Kfz-Verkehr in sehr kleinem Abstand von der Brücke geführt. Sicheres fehlerverzeihendes Straßendesign funktioniert hingegen so, dass Fehler von Verkehrsteilnehmern nicht zu Kollisionen führen.

Roarrrrrr!

Löwe 5 – Der Brüller fürs UX-Design[4]

Die südliche Wolfskehlstraße ist für Autos in Richtung Süden eine Einbahnstraße. Für den Radverkehr ist jedoch die Gegenrichtung vom Ostbahnhof zum Löwentor freigegeben. Dies ist jedoch weder an der Gestaltung noch an den Markierungen der Straßen ablesbar. Autofahrer rechnen kaum mit Radfahrenden und viele haben daher keine Geduld auf den Berg hochradelnde Radfahrer*innen zu warten. Es fehlt die Markierung eines Radfahrstreifens in Gegenrichtung und auch die Markierungen mitten auf der Kreuzung sind ausschließlich aus Sicht der Wegebeziehungen des Kfz-Verkehrs angebracht. Das Fahrbahndesign muss die angeordneten Regeln auch in der Gestaltung widerspiegeln, die Nutzung der Straße muss am Design intuitiv ablesbar sein.

Roarrrrrr!

Löwentor Markierung
Abb. Bernhard-Sälzer-Platz – Die Fahrbahnmarkierung im Bestand orientiert sich allein am Kfz-Verkehr. Blau dargestellt: Die Fahrlinie von Radfahrenden.

Löwe 6 – Der Brüller für Aufenthaltsqualität

Die Zwischenstation auf dem Weg von der Mathildenhöhe zur Rosenhöhe würde eigentlich einladen zu einem kurzen Innehalten. Aber selbst auf der Fläche zu unseren Füßen will das nicht so richtig gelingen. Aufenthaltsflächen gibt es nur auf den wenigen Restflächen, die das Auto nicht nutzt. Dabei hätte man auf der halbrunden Grünfläche gegenüber des Löwentors mit etwas Abstand eine wunderbare Aussicht auf uns und auf die Brücke. Ich sach ma so, für einen Löwen ist das Steppengras dort ein idealer Ort für ein Päuschen.

Roarrrrrr!

Gut zusammengefasst, Löwen. Die Löwen kennen sich aus. Kein Wunder, denn, wie eingefleischte Fans von Darmstadt fährt Rad wissen: Die Katzen sind seit längerem leidenschaftliche Fahrradfahrer :-).

Löwen radeln

Darmstadt fährt Rad versucht sich an einem kleinen Gedankenanstoß, wie der Bernhard-Sälzer-Platz umgestaltet werden könnte, um beschriebene Defizite auszugleichen. Wie wäre es damit liebe Löwen:

Löwentor_Entwurf 1
Änderungsvorschlag Löwentor – Blick von Norden
Löwentor_Entwurf 2
Änderungsvorschlag Löwentor – Blick aus Sicht der 6 Löwen (Löwe 1 rechts)
Löwentor_Vorher-Nachher
Löwentor VORHER-NACHHER_GIF
Löwentor_NACHHER
Änderungsvorschlag Löwentor – Grundriss

Änderungsvorschläge:

  1. Der Platz wird mit einem zum Ort passenden Pflasterbelag versehen.
  2. Der Kreuzungsbereich wird angehoben, um die Vorfahrt des Fuß- und Radverkehrs zu verdeutlichen und die Geschwindigkeit zu drosseln.
  3. Der nordwestliche Knotenarm der Wolfskehlstraße wird in Richtung Seitersweg geschwenkt, um die Geschwindigkeit zu drosseln[5], um eine Aufstellfläche für den Fuß- und Radverkehr zu schaffen und zur Verbesserung der Sichtverhältnisse. Ebenerdige Rinnsteine und Poller markieren die Fahrbahnen auf dem Platz.
  4. An der Stelle der häufigsten Querungen wird ein Zebrastreifen markiert.
  5. In den nördlichen Straßenarmen wird je ein zweiter Gehweg integriert.
  6. Der Radverkehr in der südlichen Wolfskehlstraße erhält bergauf eine Spurmarkierung.
  7. Auf der nördlichen Grünflächen entsteht eine Ruhezone.

[1] Die sechs Gussstein-Löwen sind ein Werk des Bildhauers Bernhard Hoetger, die expressionistischen Klinkerpfeiler stammen vom Architekten Albin Müller.

[2] Die denkmalgeschützte Brücke wurde 2017 aufwändig saniert und danach für den Kfz-Verkehr gesperrt.

[3] Bernhard Sälzer war lange Jahr für die CDU im Stadtparlament und später Europaabgeordneter. Er starb 1993 bei einem Autounfall.

[4] UX-Design: Eine intuitive, einfache Gestaltung, die Bedürfnisse und das Verhalten von Löwen Menschen berücksichtigt.

[5] Schleppkurven wären hier zu überprüfen, die Kreuzungsgeometrie evtl. anzupassen. (Touristenbusse – der Parkplatz nach der Brücke erinnert daran – wurden hier seit Jahren nicht gesehen.)

3 Kommentare

  1. Mann könnte hier weiter Denken, die südliche Wolfskehlstraße hat keine Anwohner und ist bereits Einbahnstraße. Zu 98% fahren hier Autos lang, die zuvor ordnungswidrig d.h. ohne Anliegen die nördliche Wolfskehlstraße durchfahren, um abzukürzen und den Stau auf dem Fiedlerweg zu vermeiden. Beschwerden durch Anwohner und regelmäßige Kontrollen durch das Ordnungsamt haben hier bislang zu keiner Verminderung des Ausweichverkehrs geführt. Die gesamte Wolfskehlstraße könnte Fahrradstraße werden, wenn der südliche Teil ausschließlich den Radfahrenden und Fußgängern vorbehalten werden würde. Das würde auch die ausweichsverkehrgeplagten Anwohner entlasten (es gibt z.B. keinen Gehweg vor den Grundstücken, für hier wohnende Kinder und Senioren ist das zur Berufsverkehrszeit auch gefährlich). Der Fiedlerweg ist zudem für Radfahrende nicht sicher zu fahren. So würde eine sichere parallellaufende Radverbindung entstehen.

    1. @darmstadtfaehrtrad sagt: Antworten

      Hallo Barbara, vielen Dank für Deine gute Idee als Ergänzung.

    2. Das kann ich nur unterstützen. Nach meinen Beobachtungen wird die Wolfskehlstraße jetzt schon sehr intensiv für den Radverkehr zwischen Ostbahnhof/Edelsteinviertel und dem östlichen Martinsviertel über die August-Buxbaumanlage, Washingtonplatz und Hohler Weg genutzt.

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