Erfolgsorientierte Radverkehrspolitik

Als Ergänzung zu dem viel zu langen Beitrag DIE EWIGE DEBATTE UM SEPARATION UND MISCHUNG haben wir versucht, die unterschiedlichen Strategien zur Radverkehrsförderung als Grafiken darzustellen.

Eine gute Radverkehrspolitik verzichtet auf Allgemeinsätze, realitätsferne Menschenbilder, bürokratische Verbissenheit, Ideologien, Konjunktiven oder die Wünsche lediglich einer Minderheit von Radfahrenden. Nur so beenden wir ein ewiges Kreisen um das Problem ohne deutliche Steigerung Radverkehrsanteils:

DEUTSCHER UMGANG MIT DER FÖRDERUNG DES RADVERKEHRS

Eine gelungene Radverkehrspolitik fängt mit der Soziologie des Menschen an. Sie analysiert das Verhalten des Menschen im Straßenverkehr und reagiert darauf mit der gebauten Infrastruktur, die dann dabei hilft, den Radverkehrsanteil zu steigern. Indem sie Menschen motiviert, die heute noch gar nicht oder sehr selten Radfahren: s. Grafik oben.

DIE ERFOLGSLEITER DER RADVERKEHRSPOLITIK

 

1 Kommentar

  1. Moin.
    „Eine gelungene Radverkehrspolitik fängt mit der Soziologie des Menschen an. Sie analysiert das Verhalten des Menschen im Straßenverkehr …“.

    Ich finde euren Ansatz gut.

    Auch m.M.n. krankt die deutsche Radverkehrsdiskussion daran, dass fast ausschließlich und vor allem gleich vom Anfang her technisch gedacht wird und
    1.
    zu wenig ’soziologisch‘, womit ich „gesellschaftliche Binnendifferenzierung“ meine, bzw
    2.
    zu wenig ‚anthropologisch‘ gedacht wird, womit ich zu wenig vom Menschen her, zu wenig das „menschliche Maß“ (Jan Gehl) beachtend meine.

    Schaut man sich in anderen Ländern und Städten mit Radverkehrskultur um, z.B. in Oslo:
    Oslos Radverkehrsstrategie wurde vom Stockholmer Planungsbüro spacescape ausgearbeitet. Der Auftrag dazu kam von der inzwischen abgelösten konservativen (!) Stadtregierung.

    „Spacescape has been involved as a consultant in this work and began the process with a thorough examination of Oslo cyclists. We looked at such aspects as, what is the bike modeshare? Who are the cyclists? Are there differences between neighbourhoods? Between women and men? Between children and adults? To develop this knowledge we used questionnaires, cyclist observations, interviews with principals, and image surveys with different types of cyclists. This formed the foundation of the Bicycle Strategy that Spacescape has developed for the city.“
    29.10.2015
    http://www.spacescape.se/oslo-invests-05-bn-usd-on-bicycle-infrastructure/

    Bevor es um Mischverkehr oder eigene Infra, um geschützte Infra oder Malen, bevor es überhaupt um technische Lösungen geht, wird eine soziologische Feldstudie angefertigt. Denn man muss doch wissen, für wen die technische Lösung funktionieren soll und wie die Bedürfnisse dieser Leute sind.

    Z.B. Niederlande:
    Die Niederlande werden mir zu sehr auf ihre (technische) Infrastruktur reduziert. Dabei wird übersehen, dass diese Infrastruktur das Ergebnis eines errungenen politischen oder gesellschaftlichen Konsenses über den Zusammenhalt bzw der Inklusivität der Gesellschaft ist. Am Anfang dieses Prozesses stand die Bewegung „Stop den Kindermoord“. Die niederländische Radinfrastruktur ist das Ergebnis davon, dass man auch, oder, statt auch, besonders den schwächsten Mitgliedern der Gesellschaft die eigenständige mobile Teilhabe am öffentlichen Raum ermögtlichen wollte. Man begreift die dort als Teil der Gesellschaft mit einem selbstverständlichen Recht auf Mobilität. Denn: Keine Mobilität, keine Teilhabe, sondern Ausschluss..
    Das ist die politisch-gesellschaftliche Basis, der eigentliche Grund der niederländischen Radinfrastruktur.

    Z.B. verschiedene Städte in Skandinavien:
    Viel gelernt habe ich auch bei der Beschäftigung mit dem ‚Nordic Cycle Cities Project‘.
    http://www.nordiskecykelbyer.dk/upload/NonPublic/NCB%20Magasin_english%20version.pdf

    Auch dort geht es zunächst einmal nicht um Radinfrastruktur.

    Die unterscheiden Bicycle Account, Bicycle Strategy und Bicycle Action Plan.
    „- A bicycle account, or balance sheet, which contains key performance indicators for bicycle transport, ensures knowledge building, and provides a solid foundation for drawing up a bicycle strategy and action plan.
    Im Prinzip: Soziologie und Bestandsaufnahme.

    Auf dieser Grundlage:

    – A bicycle strategy, which defines the visions, goals, objectives, and focus areas for bicycle transport.

    Abgeleitet aus dieser Strategie werden (aufeinander aufbauende) Maßnahmen ergriffen:

    – A bicycle action plan, which operationalizes the strategy into concrete actions and timelines.“

    Der Hauptansatz für Radverkehrsförderung ist dann nicht „Menschen“ (one fits all), sondern, es wird feinjustiert, die Fokussierung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Beispiele:

    1.
    „Children on Bikes“ bedeutet Fokus auf Schulradwege und, für die Jüngeren, Fahrradspielplätze. Denn sie denken strategisch bzw nachhaltig: Kinder behalten ihr erworbenes Mobilitätsverhalten oft als Erwachsenen bei und geben es wiederum an ihre eigenen Kinder weiter. Und: Wo Kinder sicher radeln, dort radeln alle sicher.

    2. „Cycle to work“ wendet sich an Pendler, die andere Bedürfnisse haben als Kinder oder Nahmobilität. Für diese Gruppe braucht es Wege, die relativ zügig und frei von Unterbrechungen sind. Auch größere Distanzen sollen für den Radverkehr erschlossen werden.

    Im Ergebnis zielt dieser Ansatz auf ein engmaschigeres inklusives Nahverkehrsnetz sowie ein weitmaschigeres Backbone-Netz, das auch für Schnellradler geeignet ist.

    Natürlich sind bestmögliche technische Lösungen unverzichtbar und damit man die besten erkennt, muss man über sie diskutieren.
    Aber technische Lösungen können nicht am Anfang einer Radverkehrspolitik stehen. Am Anfang muss es um die Menschen und vor allem um das Erkennen und Erfassen ihrer für einen Erfolg notwendig zu akzeptierenden Unterschiedlichkeit gehen.

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