PIMP DEIN‘ RADWEG N°4 – SCHUTZKREUZUNG 1

Titel Bismarck Grafen

KREUZUNG BISMARCKSTR./GRAFENSTRASSE/WILHELM-LEUSCHNER-STR.

Karte Piktogramm

Die relativ kleine Kreuzung an der Bismarckstraße Ecke Grafenstraße/Wilhelm-Leuschner-Str. diente Darmstadt fährt Rad schon in der Reihe KREUZUNGSDESIGN DELUXE – Teil 5 NEUGESTALTUNG EINER DEUTSCHEN KREUZUNG als Beispiel für eine Transformation einer üblichen Kreuzung zu einer Schutzkreuzung. Innerhalb einer Woche sind im November 2017 in Darmstadt zwei Radfahrende bei Abbiegeunfällen ums Leben gekommen. Beide Unfälle ereigneten sich auf der Bismarckstraße. Diese Straße soll, wie auch die Frankfurter Straße und der Willy-Brandt-Platz, im Rahmen der Umbaumaßnahme DAVIA der HEAG mobilo und der Wissenschaftsstadt Darmstadt umgebaut werden. Auch die Kreuzung Bismarckstraße Ecke Grafenstraße, an der der Theatermacher Hanno Hener durch einen rechts abbiegenden LKW tödlich verunglückte, liegt innerhalb des Projektes DAVIA. Auch in einem älteren Post haben wir bereits zur Geschichte dieser Kreuzung geschrieben: QUESTION TIME N°7. Mehr zum Projekt DAVIA in diesem Beitrag.

BESTANDSANALYSE

Obwohl die Kreuzung sehr klein ist, ist sie nicht nur durch den Versatz zwischen den Querstraßen Grafenstraße im Süden und Wilhelm-Leuschner-Str. im Norden, sondern auch durch einen freien Rechtsabbieger mit Dreiecksinsel im Südosten ziemlich unübersichtlich. Fußgänger haben über die Dreiecksinsel eher lange Wege zu laufen und in Teilbereichen des Seitenraums deutlich zu wenig Platz. Zudem fehlen bis auf ein Radweg in West-Ost-Richtung an sämtlichen Knotenpunktarmen sichere Radverkehrsanlagen und Aufstellmöglichkeiten. Die Wilhelm-Leuschner-Str. ist der Beginn einer Tempo 30 Zone. Diese Zone ist jedoch nicht durch bauliche Elemente als solche kenntlich gemacht. An den übrigen Knotenarmen herrscht Tempo 50.

Kreuzung Bismarckstr
Unfallstelle von 2017 – Bis auf den Trixispiegel (am Ampelmast, durch diese können Radfahrer neben LKW besser gesehen werden) ist seitdem keine weitere Verbesserungsmaßnahme umgesetzt worden.

An der Unfallstelle im südwestlichen Arm der Bismarckstraße wird der Radweg direkt neben die Fahrbahn geführt, anstatt ihn mit erhöhtem Abstand von der Fahrbahn zu führen. Eine vorgezogene Haltelinie für den Radverkehr fehlt. Innerhalb dieser Infrastruktur hätte der LKW Fahrer vor dem Unfall von 2017 den Radfahrer nur über die Spiegel sehen können, nicht aber direkt durch die Scheiben. So positioniert haben Radfahrende keine Chance mehr, sich aus dem Gefahrenbereich zu entfernen. Wird bemerkt, dass der LKW-Fahrer rechts abbiegen will, ist es bereits zu spät. Der Auflieger des LKW kommt in einem solchen Fall sukzessive näher. Ein Verlassen des Bereichs ist im beinahe Stillstand für Radfahrende unmöglich. Aber auch bei freier Fahrt ist ein Sicherheitsabstand notwendig, um eine Reaktionsmöglichkeit zu haben.

ADAC-Empfehlung
Empfehlung des ADAC für die Führung von Radverkehr an Kreuzungen.

Das gebaute Design ist regelwidrig. Es mißachtet den Grundsatz der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen 2010 der FGSV, Führungsformen zu wählen, die eine geringe Abhängigkeit vom Verhalten anderer aufweisen (Entwurfsanforderung in Tabelle 4). Radfahrende müssen in solchen Situationen die Chance haben, das Verhalten von Autofahrenden zu beobachten und Zeit haben, reagieren zu können. Das können sie an einem solchen Design, das kürzlich noch vom ADAC empfohlen wurde, nicht. Es ist ein Skandal, dass dieses Design bundesweit umgesetzt wurde und bis heute Anwendung findet.

Es ist ein Skandal, dass dieses Design bundesweit umgesetzt wurde und bis heute Anwendung findet.

Bis auf die Montage von Trixispiegeln, die die Sichtbarkeit von Radfahrenden erhöhen sollen, wurde an der Kreuzung seit November 2017 bis heute nichts verändert.

LÖSUNGSANSATZ

Diese Kreuzung war Vorlage für den ersten Entwurf einer Schutzinselkreuzung. Schutzinselkreuzungen stellen vor allem bei größeren Kreuzungen mit großen freien Rechtsabbiegespuren, multiplen Fahrstreifen oder Fahrradweichen (Radfahrstreifen in Mittellage) sinnvolle Alternativen dar. Bei kleinern Knoten wie diesem sollte geprüft werden, ob vorhandene Ampeln noch notwendig sind. In den Niederlanden hat sich gezeigt, dass fehlende Lichtsignalanlagen die Vorsicht bei den Verkehrsteilnehmern und die Interaktion mit anderen erhöhen. Zur Methamorphose von größeren Knoten gibt es mehr ab Teil 5 von PIMP DEIN RADWEG.

Variante 1

Größere Visualisierung nach dem Umbau [Visualisierung: Florian Albert – renderING]

Größerer Grundriss nach dem Umbau

An zwei Knotenarmen konnten die Fußgängerfurten in Richtung Kreuzungsmitte verlegt werden, so dass der Rundumlauf für Fußgänger nur noch ca. 94% von der Strecke im Bestand aufweist. Bei großen Kreuzungen beträgt dieser Wert in der Regel 3/4. Die Einzelstrecken für das fußläufige Queren sind aufgrund der schmaleren Fahrbahnen jedoch deutlich kürzer als im Bestand. In den Skizzen fehlen noch Zebrastreifen auf den Radwegen, die verdeutlichen sollen, dass der Fuß- gegenüber dem Radverkehr Vorrang hat. Diese haben wir bei späteren Umplanungen ergänzt.

Als Ergänzung zur klassischen Schutzkreuzung, haben wir im oben erwähnten Teil 5 der Reihe KREUZUNGDESIGN DELUXE eine weitere Varianten einer Umgestaltung durchgedacht. Neben der klassischen Schutzinselkreuzung als Variante mit Lichtsignalanlage auch eine kompaktere ohne Ampel. In Abhängigkeit von den Verkehrstärken kann diese Kreuzung insbesondere bei einer Umstrukturierung von der Verkehrsführung in der Frankfurter Straße (z.B. Einbahnstraßenführung oder Anlieger frei) ohne Ampel ein sicherere Lösung darstellen. Bei der zweiten Lösung wird auch die Grafenstraße als Tempo 30 Zone ausgewiesen. Beide Einmündungen erhalten eine Aufpflasterung (Anhebung der Fahrbahn auf Geh- und Radwegniveau) als bauliche Absetzung von Tempo 50 Straße und Tempo 30 Zonen und senken somit deutlich die Abbiegeschwindigkeit. Die Radwege werden im Kreuzungsbereich dennoch verschwenkt, um die Übersichlichkeit zu erhöhen, Aufstellflächen für das Queren zu schaffen und Wahrnehmungsereignisse zu entzerren.

Variante 2

Größerer Grundriss nach dem Umbau

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