Ein Darmstädter Radverkehrs-Jahresrückblick – Teil 5
IN KÜRZE
2023 war das fünfte Jahr nach den Verhandlungen des Radentscheids Darmstadt mit der Stadt Darmstadt und das erste Jahr mit einem neuen Oberbürgermeister, der es im Gegensatz zum Vorgänger vorzieht, mit dem Auto ins Rathaus zu fahren, und bei dem es mitunter schwer fällt, zu verstehen, wo er Darmstadt verkehrspolitisch hinsteuern will. Manche seiner Aussagen könnten den Eindruck gewinnen, dass er das jahrzehntelang benachteiligte Verkehrsmittel Fahrrad nicht als klimaschonende Mobilitätschance für ganz Darmstadt sieht, sondern gar als Konkurrent begreift[1]. Neben einer städtischen Radstrategie und dem sogenannten 4×4-Sonderprogramm Investition Radverkehr (16 Mio. € in 4 Jahren) hat das Stadtparlament 2020 einen dazugehörigen Maßnahmenkatalog mit 34 Maßnahmen beschlossen, die das Radverkehrsnetz der Stadt deutlich verbessern sollen. Dieser jährlich erscheinende Jahresrückblick, bietet eine Übersicht über den Fortschritt dieser und weiterer Maßnahmen auf Grundlage von Zahlen der Stadt Darmstadt. Die Daten werden sortiert, bewertet und tabellarisch und grafisch dargestellt. 2023 konnte das Maßnahmenloch von 2022 vor allem durch die Verstetigung von lange dauernden Verkehrsversuchen überwunden und wieder mehr für den Radverkehr umgesetzt werden. An Hauptstraßen konnte der Anteil von sicheren Radwegen in den letzten 5 Jahren von 9,5 auf 12,9 % erhöht werden, während der Anteil von Hauptstraßen ohne jegliche Radverkehrsanlagen nur um 0,8 %-Punkte gesunken ist. Ursprünglich war geplant, die beschlossenen 34 Maßnahmen in den vergangenen vier Jahren umzusetzen. Bislang konnten nur annähernd 39 % der 16 Mio. € verausgabt werden. Das 4×4-Sonderprogramm soll jedoch fortgeführt werden. Das sagt der neue Oberbürgermeister Hanno Benz.[2]
Dies ist der fünfte Bericht zu den in Darmstadt umgesetzten Radverkehrsmaßnahmen nach dem Radentscheid. Bei diesem Jahresrückblick werden folgende Themen erfasst:
- Alle generell in 2023 umgesetzten Radverkehrs-Maßnahmen[3]
- Leistungsstand der 34 Maßnahmen des 4×4-Sonderprogramms Radverkehr
- Qualität des Radwegenetzes an den Hauptstraßen[4]
- Ausgaben
- Sofortmaßnahmen
Wer mehr wissen will zur Geschichte der Radverkehrsförderung in Darmstadt, kann dies in den vergangenen Jahresrückblicken nachlesen:
1. Alle in 2023 umgesetzten Radverkehrs-Maßnahmen
Den großen Maßnahmen wird dabei jeweils eine Qualitätsstufe zugeordnet:
Qualitätsstufen
- Radentscheidsiegel: Streckenelemente müssen geschützte Radwege aufweisen mit mindestens 2,3 m Breite. Kreuzungen müssen als Schutzkreuzungen ausgeführt werden, an Einmündungen müssen angehobene Kreuzungsbereiche und an Nebenstraßen Maßnahmen umgesetzt werden, die das Radfahren erleichtern.
- Radstrategie: restliche Maßnahmen gemäß Radstrategie
- ERA: Maßnahmen nach dem Regelwerk Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA; diese gehen oft über die StVO hinaus)
- Straßenverkehrsordnung (StVO): Restliche Maßnahmen
Kleinmaßnahmen und andere Maßnahmen werden im Rahmen der Qualitätsstufen nicht bewertet. Es wird davon ausgegangen, dass alle Kleinmaßnahmen wichtig und gut sind und dem Qualitätsstandard des Radentscheids entsprechen. (bspw. Abstellanlagen, Poller,…)
Download Alle umgesetzten Maßnahmen 2023.pdf


Zur Ergänzung hier alle seit 2019 umgesetzten Maßnahmen:


Der Jahresvergleich zwischen 2019 bis 2023 stellt sich wie folgt dar:

Die wichtigsten Analyseergebnisse für 2023
- Die Anzahl der umgesetzten Radverkehrsmaßnahmen an Hauptstraßen, Nebenstraßen, Knotenpunkten und Kleinmaßnahmen ist im Vergleich zum Vorjahr wieder gestiegen. Die Anzahl ist wieder auf dem Stand von 2021, erreicht jedoch im Vergleich zu 2020 60 % und zu 2019 nur 44 %! Es sind vor allem mehr Maßnahmen an den Hauptstraßen und Kreuzungen umgesetzt worden.
- Das Radentscheidsiegel kann 2023 siebenmal vergeben werden: Viermal für Maßnahmen an Hauptstraßen, zweimal für ein Nebenstraßenprojekte und einmal für ein Projekt an einer Kreuzung.
- 2023 wurden wichtige Leuchtturmprojekte mit wegweisendem Charakter umgesetzt: Dazu gehört die Verstetigung der Verkehrsversuche in der Zeughausstraße und der Neckarstraße/Heidelberger Straße (jeweils geschützte Radfahrstreifen) und die Umgestaltung der Nieder-Ramstädter-Straße (Radweg inkl. Kreuzung mit Anhebung der Fahrbahn, ein Design, dass als besonders sicher und komfortabel für den Fuß- und Radverkehr gilt).
- An Hauptstraßen konnten rund 3,26 km Radweg in mindestens der Qualität der ERA 2010 hergestellt werden, viele Meter jedoch auch in Radentscheidqualität. Dazu gehören oben genannte Projekte. (zum Vergleich: Radentscheid Ziel 2: 5 km Radwege an Hauptstraßen).
- An Nebenstraßen wurden 1,05 km für den Radverkehr umgesetzt. Dazu zählt die Aufwertung der Fahrradstraße in der Wilhelminenstraße und eine Maßnahme am Radschnellweg FFM-DA. (zum Vergleich: Radentscheid Ziel 4: 5 km attraktive Nebenstraßen)
- Von Ziel 3 des Radentscheids – Sichere Kreuzungen nach niederländischem Vorbild wurde 2023 eine angehobene kleinere nicht signalisierte Einmündung hergestellt. Eine große Schutzinselkreuzung wurde jedoch nicht umgesetzt. An der Kreuzung Rhein-Neckar-Straße wurde eine größere Änderung mit Hilfe von markierten Radfurten durchgeführt. Dazu kommen kleinere Maßnahmen mit Markierungsarbeiten.
- In Bezug auf Radentscheid Ziel 6 (Bordsteinabsenkungen) wurde nichts umgesetzt.
- 2023 wurden 27 Kleinmaßnahmen umgesetzt. (Abstellanlagen, Poller,…).
2. Leistungsstand der 34 Maßnahmen des 4×4 – Sonderinvestitionsprogramms Radmobilität
Um einen Überblick zu haben über den Stand der Umsetzung aller 34 Maßnahmen speziell aus dem 4×4 Sonderprogramm Investition Radverkehrsförderung wurde folgende Tabelle erstellt. Diese wird jedes Jahr aktualisiert. Die blauen Balken in der mittigen Spalte zeigen den Fortschritt der Projekte an. Im Idealfall hätte spätestens 2023 alle Fortschrittsbalken blau sein müssen. Die gelblichen Felder in der Spalte Zeitplan deuten auf verzögerte Maßnahmen, je dunkler die Farbe, desto größer ist der Verzug:
Download 34 Maßnahmen 4×4 Sonderprogramm 2023.pdf

Auch 2023 konnten nur wenige Maßnahmen dieser vom Stadtparlament beschlossenen Liste umgesetzt werden. In den letzten 5 Jahren wurden bislang insgesamt 24 Maßnahmen von 34 angefangen oder abgeschlossen. Planungsphasen wurden dabei berücksichtigt. Bei 10 Maßnahmen wurde noch nicht mal mit der Planung oder Umsetzung begonnen. Drei Maßnahmen hat die Stadt 2023 zurückgestellt. Der Leistungsstand betrug in 2022 44 % und konnte 2023 nur auf 46 % gesteigert werden.
Leistungsstand der Maßnahmen in Radentscheid-Qualität
Der Radentscheid hatte für die Infrastrukturmaßnahmen ursprünglich bestimmte Quantitäten in einer guten Qualität pro Jahr gefordert. So sollten je 5 km sichere Radinfrastrukturmaßnahmen an Haupt- und Nebenstraßen und 3 sichere Kreuzungen pro Jahr umgesetzt werden. Folgende Grafik stellt den Leistungsstand in Bezug auf die Radentscheid-Ziele in den fünf Jahren zwischen 2019-2023 sortiert nach Kategorien dar:

An Hauptstraßen sind in der 5-Jahresbetrachtung ca. 24 %, an Nebenstraßen ca. 38 % der ursprünglich geforderten Menge und an Kreuzungen 8 % umgesetzt worden.
3. Qualität der Radwege an Hauptstraßen
An den Hauptstraßen konnten Radverkehrsanlagen etwas sicherer gemacht werden. Der Anteil der Hauptstraßen mit sicheren Radverkehrsanlagen ist 2023 auf 12,9 % gestiegen. Im Vergleich zu 2022 konnte dieser Anteil um 1,7 % erhöht werden, die höchste Steigerung in den 5 Jahren.
Zur gleichen Zeit ist der Anteil von Hauptstraßen ohne jegliche Radverkehrsanlagen in den ersten vier Jahren gleich geblieben, zwischen 2022 und 2023 nur um 0,8 % gesunken.
„Der Anteil von Hauptstraßen ohne jegliche Radverkehrsanlagen ist in den ersten vier Jahren gleich geblieben, zwischen 2022 und 2023 nur um 0,8 % gesunken.“

4. Ausgaben
Laut einer Antwort auf eine kleine Anfrage des Stadtverordneten Lehmann (SPD) 2022 und einer weiteren großen Anfrage sind von 2019-2023 6,3 Mio. € auf das Konto des 4×4-Programms gebucht worden. Das entspricht 39 % des Gesamtbudgets von 16 Mio. €. In 2024 sollten weitere 5,61 Mio. €, ab 2025 weitere 4,96 Mio. € investiert werden.
In den drei Jahren zwischen 2019 und 2021 investierte die Stadt Darmstadt in den übrigen Straßenverkehr ca. 75 Mio. €. Im Vergleich zu den geringen Investitionen in den Radverkehr ein beunruhigendes Ungleichgewicht. Umso unverständlicher wird es, wenn man sich daran erinnert, dass die gesamte Gesellschaft jedes Auto mit durchschnittlich 5.000 € pro Jahr subventioniert, jeder mit dem Rad gefahrener Kilometer der Gesellschaft jedoch 30 Cent Gewinn bringt.
Jede gute Baumaßnahme für den Radverkehr zahlt sich volkwirtschaftlich mehrfach aus. So entspricht der volkswirtschaftliche Nutzen in den Niederlanden (inkl. alle externalisierten Kosten), der durch einen gesteigerten Radverkehrsanteil entsteht, dem sechzigfachen (!) der Ausgaben für Infrastrukturmaßnahmen für den Radverkehr.[5]

5. Sofortmaßnahmen
Im Rahmen der Verhandlung mit dem Radentscheid hat die Arbeitsgruppe Sofortmaßnahmen eine dynamische Karte von kleineren Mängeln im Radverkehrsnetzt entwickelt, die sukzessive abgearbeitet und ergänzt werden sollte. Einige Mängel werden regelmäßig behoben, andere Themen bislang noch gar nicht angegangen. Gründe sind nicht immer nachvollziehbar. Die Beseitigung einiger Mängel hat sich in der Umsetzung dann wohl doch als aufwändiger erwiesen.
Als Beispiele seien folgende Kleinmaßnahmen erwähnt:
- Poller
- Asphaltrampen
- Trixispiegel/vorgezogenen Aufstellflächen (ARAS)
Bei den in der Liste der Sofortmaßnahmen häufigsten Maßnahmen geht es um Poller. Absperrpfosten sind nur notwendig, weil sich zu viele Autofahrende nicht an Regeln halten und damit andere behindern oder gefährden. Sie verhindern, dass Kfz-Fahrende Wege nehmen oder auf Flächen parken, die nicht dafür vorgesehen sind. Einige Poller oder Umflaufsperren verhindern aber auch eine barrierefreie Nutzung. Sie sind daher zu entfernen. Die Umsetzung dieser schnell umzusetzenden Maßnahmen stockt seit einigen Jahren.
Zur Beseitigung von vertikalen Barrieren wurden als provisorische Lösung in die Karte die Montage von Asphaltrampen aufgenommen. Einige Städte haben damit gute Erfahrungen. In Darmstadt wurden noch gar keine Asphaltrampen angelegt, da dagegen wohl Bedenken bei der Entwässerung der Straße bestehen. Ein Absenken von Bordsteinen als einzige Alternative wird wohl aus Kostengründen aber auch nicht umgesetzt.
Trixispiegel werden an Ampeln angebracht und helfen insbesondere LKW- oder Transporterfahrende dabei, Radfahrende neben den Fahrzeugen wahrzunehmen. Sie sind eine kostengünstige Methode, schwere Abbiegeunfälle zu verhindern. In der Verkehrsforschung haben sich die Spiegel als hilfreich erwiesen. Es ist daher absolut unverständlich, warum diese Trixiespiegel nicht flächendeckend an jeder Kreuzung montiert werden. Es ist anzunehmen, dass der tödliche Unfall an der Kreuzung Bleichstr./Kasinostr. von 2023 mit einem vorhandenen Trixispiegel anders verlaufen wäre. Ebenso wie Trixispiegel helfen vorgezogene Warteflächen (ARAS) an Kreuzungen Abbiegeunfälle zu vermeiden. Sie gehören zur absoluten Grundausstattung an Kreuzungen. Dennoch wurden nach einigen Maßnahmen 2020 kaum noch weitere umgesetzt. Seitens der Stadt beruft man sich auf Einbußen bei der Leistungsfähigkeit des Kfz-Verkehrs, wenn die Haltlinie vorverlegt wird. Die Stadt Darmstadt setzt damit Prioritäten und gibt der Leistungsfähigkeit des Kfz-Verkehrs vor der Sicherheit der Verkehrsteilnehmer Vorzug und verstößt damit gegen die Verwaltungsvorschrift der Straßenverkehrsordnung in der es heißt:
„Die Flüssigkeit des Verkehrs ist mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu erhalten. Dabei geht die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer der Flüssigkeit des Verkehrs vor.“
VwV-StVO zu §39-42 Rd-Nr. 5
Die Karte wurde im November 2022 vom Mobilitätsamt aktualisiert. Für 2023 wurden Daten abgefragt, jedoch keine übermittelt. Die Zahlen können von den tatsächlich umgesetzten Maßnahmen etwas abweichen. In jedem Fall kann bei dem Tempo der Umsetzung der Maßnahmen nicht von „Sofortmaßnahmen“ gesprochen werden.
Fazit
Die Anzahl der umgesetzten Maßnahmen ist in 2023 wieder gestiegen, es konnten einige Leuchtturmprojekte umgesetzt werden. Dies ist vor allem der Umsetzung der Verkehrsversuche geschuldet. Damit hat Darmstadt Lücken im Radnetz zumindest auf den Streckenabschnitten in wirklich sehr guter Qualität geschlossen. Die Stadt stellt eine Fortführung des 4×4-Sonderprogramm in Aussicht. Ebenso sollen die noch offenen Maßnahmen der Liste der 34 Maßnahmen abgeschlossen werden. Weitere sollen folgen.
Vermisst wird noch das wichtige Projekt SQUADA, d.h. die Umsetzung einer rad- und fußverkehrsfreundlichen Kreuzung der Landgraf-Georg-Straße Ecke Teichhausstraße, das von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen wurde und als Forschungsprojekt von Wissenschaft und Presse in ganz Deutschland beobachtet wird. Darmstadt als selbst ernannte „Wissenschaftsstadt“ tut gut daran, dieses Forschungsprojekt zeitnah umzusetzen, bevor die Fördermittel verfallen. Aus dem Verkehrsdezernat wurde für die Wiederaufnahme Anfang 2024 genannt.
Die übrigen restlichen 19 noch fast gar nicht begonnenen Maßnahmen müssen spätestens in 2024-25 fertiggestellt werden. Doch selbst wenn es bei diesen Maßnahmen bleibt, ist das ist bei weitem nicht genug. Es ist schon unabhängig von Zeiten des Klimawandel völlig inakzeptabel, dass Menschen sich meist alleine, in 2 Tonnen schweren Maschinen und innerstädtisch auf kurzen Strecken fortbewegen. Die meisten Autofahrten in Darmstadt sind unnötig und Alternativen gibt es gerade in dieser Stadt der kurzen Wege. Der neue Magistrat hat es in der Hand, diese attraktiver zu machen. Nur werden den Bürgern aktuell die Strategien dafür vorenthalten. Denn es stellt sich die Frage wie in 2024 ein ähnlich hoher Betrag investiert werden soll, wie er in der Summe zwischen 2019 und 2023 ausgegeben wurde.
Die Umsetzung des beschlossenen Ziels der Stadt Darmstadt, „eine fahrradfreundliche Stadt“ zu werden „mit einer einladenden und sicheren Infrastruktur für alle Menschen, die Radfahren wollen.“[6] liegt nun in der Verantwortung des neuen Oberbürgermeisters Hanno Benz und seinem Verkehrsdezernenten Paul Georg Wandrey. Viele Menschen werden es ihnen danken, wenn sie zeitnah sicher und angstfrei mit dem Rad unterwegs sein können.
Die Aussage des Oberbürgermeisters Benz bei den Wahlprüfsteinen des Radentscheid:
„Bei der Fahrradinfrastruktur sehe ich die vordringlichen Aufgaben darin, zum einen die Verkehrssicherheit für Radfahrer*innen zu verbessern und zum anderen das Radwegenetz weiter auszubauen.“
Oberbürgermeister Hanno Benz
…geht in die richtige Richtung.
[1] „Pragmatische Lösungen zu finden funktioniert nur, wenn wir auch hier wieder alle Menschen in den Blick nehmen, dem Gegeneinander ein Ende setzen und zu einem Miteinander finden. Wir brauchen wieder konkrete Politik für alle und keine Symbolpolitik, die nur den Interessen von wenigen nutzt.“ – Hanno Benz in den Wahlprüfsteinen 2023 des Radentscheid Darmstadt. Die Zahlen von Darmstadt fährt Rad, besonders die in dieser Analyse zeigen, dass es seit Jahren auf den Straßen ein Gegeneinander gibt, dass vom Kfz ausgeht. Fast 60 % Hauptstraßen besitzen keine Radverkehrsanlagen und das unverändert seit 5 Jahren, trotz der Anstöße durch den Radentscheid. Der Flächenraub durch den Parkverkehr kommt noch dazu. Dies ist ein Armutszeugnis für eine Stadt, die Fahrrad- und Wissenschaftsstadt sein will. Wer bei einem solchen Status Quo von „Miteinander“ spricht, meint nicht „Mobilität für alle“, er fürchtet eine Einschränkung bei der Bequemlichkeit des Autofahrens und verschweigt, dass eben nicht „alle in den Blick genommen“ werden, und Menschen, die sich zu Fuß oder mit dem Rad fortbewegen, weiterhin Nachteile in Kauf nehmen müssen. Mit dem Ergebnis, dass viele dann doch wieder das Auto als Verkehrsmittel wählen. Ein Miteinander im Straßenverkehr funktioniert aber nur, wenn Rad- und Fußverkehr eigene Flächen bekommen, auf denen es möglich ist, sich sicher und angstfrei fortzubewegen. Die Verkehrspolitik der letzten 7 Jahrzehnte war eine Politik, die ausschließlich den Interessen von wenigen, nämlich denen von Autofahrenden genutzt hat. Und zwar nicht nur symbolisch, sondern tatsächlich.
[2] „Bei der Fahrradinfrastruktur sehe ich die vordringlichen Aufgaben darin, zum einen die Verkehrssicherheit für Radfahrer*innen zu verbessern und zum anderen das Radwegenetz weiter auszubauen. Ob das durch Radschnellwege, neue, baulich getrennte Radwege an Hauptverkehrsachsen oder Fahrradstraßen geschieht, muss im Einzelfall entschieden werden.“ – Hanno Benz in den Wahlprüfsteinen 2023 des Radentscheid Darmstadt.
[3] Basis dieser Analyse sind die Quartalsberichte der Stadt Darmstadt, die die umgesetzten Maßnahmen pro Quartal zusammenfassen. Einige wirklich kleine Maßnahmen (Verkehrszeichen,…) daraus werden hier nicht gewertet.
[4] Die Daten des Qualitätschecks des Darmstädter Radverkehrsnetzes von 2019 werden durch die in 2023 umgesetzten Maßnahmen ergänzt und die dazugehörigen Radverkehrsnetzkarte aktualisiert. Somit kann abgelesen werden, wie das Radverkehrsnetz sicherer Radführungen an Hauptstraßen sukzessive wächst.
[5] CROW 2016
Interessiert sich aus der ‚Radentscheidszene‘ eigentlich auch jemand dafür, inwieweit Umsetzungen der Forderungen des Radentscheides sich in Richtung MIV-Reduktion auswirken?
Oder ist als Evaluationsziel die steigende Quantität und ggf. Qualität der ‚Radverkehrsanlagen‘ der entscheidende Faktor?
Dass der MIV in Zeiten der ökologischen Multikrise mit stark steigender Erderwärmung, steigender Problematik von Artensterben, Flächenversiegelung, Luftverpestung, Mikroplastikeinträgen, usw. zwingend reduziert werden muss sollte ja, abseits der Fraktion der Wissenschaftshasser*innen, Konsens sein.
Steht der Radentscheid außerhalb dieses Kontextes und begreift sich als außerhalb der Ökologiebewegung und der Klimabewegung?
Wenn nein:
Warum spielt die Entwicklung des MIV dann hier offenbar überhaupt keine Rolle?
Warum ist nirgendwo eine Folgeabschätzung in Bezug auf regionale Kfz-Dichte und regionale Kfz-Fahrleistung zu finden?
Oder ist es Teil der Radentscheidausrichtung, dass mit ‚pull&pull‘ der MIV und der Radverkehr im Gleichklang ansteigen sollen, wie es zB in den Niederlanden seit vielen Jahren zu beobachten ist?
Hallo Elke, danke für Deinen Beitrag mit dem wichtigen Thema steigender MIV-Anteil. Die Initiative Darmstadt fährt Rad setzt sich für eine niederschwellige, komfortable und barrierefreie Infrastruktur für Alle, die für Ihre Strecken lieber das Rad nehmen, als motorisierte Fahrzeuge. Dies schafft die wichtigste Grundlagen dafür, dass Menschen (eine größtmögliche Zielgruppe inkl. Kinder, Senioren und Anfänger) das Auto stehen lassen. Sicherlich gehören noch andere Maßnahmen dazu, um dies zu beschleunigen. Wenn Du Fragen zum Radentscheid Darmstadt hast, dann stelle diese bitte direkt an den Radentscheid.