Die geheimen Leidenschaften Darmstädter Denkmäler
Dem einen oder der anderen wird es aufgefallen sein, dass die in der Kopfzeile der Website von DARMSTADT FÄHRT RAD dargestellten Darmstädter Denkmäler etwas anders unterwegs sind, als man es bislang kannte. Die wenigsten wissen: Die meisten dieser in Stein gehauenen oder aus Bronze gegossenen Heiner sind große Fahrradfans, nutzen das Rad in unterschiedlichen Formen im Alltag oder beim Sport und sind seit 2017 auch treue Unterstützer des Radentscheids. Für sie ist das Fahrrad in der städtischen Mobilität ein nicht mehr wegzudenkendes Verkehrsmittel. Darmstadt ist eine kompakte Stadt mit kurzen Wegen, die man am besten mit dem Rad zurücklegt. Das spart Zeit, Platz, ist leise und hält die Luft rein. Und für einen persönlich beugt es Krankheiten vor und hält fit. Gerade im Alter ist das entscheidend. Davon können unsere Denkmäler ein Liedchen singen. Der älteste Radler unter ihnen wird 2026 185 Jahre alt.
Viele Leser haben sich gewünscht, mehr zu erfahren über die radelnden Denkmäler. Nach 7 Jahren Stillschweigen kommt endlich die lang ersehnte Enthüllung der geheimen Leidenschaften Darmstädter Denkmäler ;-):
Langer Ludewig
Stifter der Radstrategie
- Ludwigsmonument oder „Langer Lui“
- Baujahr: 1841
- Entwurf/Künstler: Säule: Georg Moller und Balthasar Harres, Statue von Ludwig Schwanthaler, gegossen von Johann Baptist Stiglmaier
- Ort: Luisenplatz
Denkmal für Großherzog Ludewig I., der in über 30 m Höhe als 5,50 m große Figur auf der Säule einen starkenburger Nofoot auf seinem BMX-Bike performt, während er in der rechten Hand die Darmstädter Radstrategie hält. Ludwig gilt als Stifter des zuerst 1820 verfassten Grundsatzprogramms der Stadt Darmstadt, mit der Absicht, den Fuß- und Radverkehr in Darmstadt zu fördern und priorisieren. Die Strategie ist ein paar Jahre später von der Stadtverordnetenversammlung mit dem Beschluss 2019/0157 im Mai 2019 besiegelt worden.
Radlerdenkmal
Der Kampfradler
- Radlerdenkmal für Großherzog Ludwig IV
- Baujahr: 1898
- Entwurf/Künstler: Fritz Schaper, Guss: Walter und Paul Gladebeck
- Standort: Friedensplatz
Das Denkmal zeigt den Großherzog Ludwig IV (noch ein Ludwig) auf seinem Kriegsfahrrad als Kommandeur der hessischen Division im Krieg gegen Frankreich (1870/71). Schon damals beeindruckte das Fahrrad mit seiner Vielseitigkeit und ersetzt schon Mitte des 19. Jahrhunderts die aus der Mode gekommenen Pferde der Kavallerie. Zum Glück reichen im heutigen Kampf für bessere Radwege Argumente und Überzeugungskunst. Der Kampfradler hat ausgedient. Trivia: Ludwigs Luftpumpe wurde Mitte der 1970er Jahre gestohlen und 1985 ersetzt.
Datterich-Brunnen
Die kritische Masse*
- Datterich-Brunnen, Hommage an die Posse Datterich von Ernst Elias Nibergall (1841)
- Baujahr: 1982
- Entwurf/Künstler: Bonifatius Stirnberg
- Standorte: zunächst Luisenplatz, ab 1996 Nordseite des Justus-Liebig-Hauses (Kleinschmidtsteg)
Der Brunnen zeigt die Darsteller der niebergallschen Posse bei der Teilnahme an der Critical Mass*. Die Glieder und Teile der Figuren und Laufräder der Bronzeplastik lassen sich bewegen. Die wenigsten Heiner*innen wissen: Datterich war der Urvater der ersten Darmstädter Critical Mass. Zu den berühmtesten Zitaten gehören: „Siehst-de net, daß die Menschheit Rad fährt?“ Datterich ist leider beim Engagement um bessere Radwege verzweifelt und dem Alkohol verfallen. Seine letzten Worte: „Ich wahß net, ich hab heit schon de ganze Daag so en vasteckte Dorscht“
„Siehst-de net, daß die Menschheit Rad fährt?“
Datterich, (wahrscheinlich…)
*Die kritische Masse (Critical Mass) steht für die nach §27 StVO nötige Menge von 16 Radfahrenden, die es erlaubt, eine Fahrbahn im Pulk zu befahren.
Berserker
Der Beharrliche
- Berserker
- Baujahr: 1989
- Entwurf/Künstler: Waldemar Grzimek
- Standort: Nordwestseite des Marktplatzes, das Original wurde durch eine Replik ersetzt, der Sockel der Verkehrssicherheit wegen in denkmalgerechtem gelb-schwarzem Sicherheitstape dekoriert.
Die Skulptur des buckeligen Mannes stand laut Grzimek symbolisch für die Mühen und das Durchhaltevermögen, die die Zivilgesellschaft bei der Arbeit für gute Radwege braucht. Gerade Kinder, Senioren und Anfänger benötigen ein durchgängiges, sicheres und komfortables Radwegenetz. Eine Gesellschaft, in der das Auto in allen Bereichen ganz tief in den Köpfen (und Herzen) verwurzelt ist, bietet ausreichend Barrieren beim Engagement für mehr Platz und Rechte für Menschen, die sich auf dem Fahrrad fortbewegen wollen.
Firstradler
Der Waghalsige
- Balance-Akt
- Baujahr: 1999
- Entwurf/Künstler: Hubertus von Golz
- Standort: zunächst Ausstellungsgebäude Mathildenhöhe, leider ab 2023 auf dem Kunstdepot der Mathildenhöhe, Mainzer Straße
Der waghalsige Balance-Akt des Firstradlers stellt eine Metapher dar für den Mut, den Radfahrende auf Straßen aufbringen müssen, deren Design nicht an die Bedürfnisse von Radfahrenden angepasst ist. Radfahren darf kein Mut abverlangen. Radinfrastruktur muss kindgerecht sein. Wenn wir wollen, dass Menschen künftig mehr Radfahren, dann müssen wir heute eine Infrastruktur anbieten, die vor allem Kinder beim Radfahren gerne benutzen. Oder in den Worten Datterichs: „Radfahren, wann mer Radwege hat, des is kah Kunst: awwer Radfahren, wann mer kahne hat, des is e Kunst, liewer Mann, un die muß ich erscht noch lerne.“ Muss er nicht! Wann mer Radwege habe…
„Radfahren, wann mer Radwege hat, des is kah Kunst: awwer Radfahren, wann mer kahne hat, des is e Kunst, liewer Mann, un die muß ich erscht noch lerne.“
Datterich oder so ähnlich
Noch etwas: Darmstadt fährt Rad fordert die unverzügliche Rückkehr des Balance-Akts an das Ausstellungsgebäude der Mathildenhöhe. Der Umzug an die Mainzer Straße ist ein Angriff auf unser künstlerisches Werk. 😉
Löwentor
Die Ordnungswächter
- Löwen-Tor oder „Niesende Igel“
- Baujahr: 1914
- Entwurf/Künstler: Albin Müller und Löwen: Bernhard Hoetger
- Standort: Mathildenhöhe, 1926 Umzug zum Eingang Rosenhöhe
Die sechs Löwen hatten ursprünglich die Aufgabe, bei der letzten Ausstellung der Darmstädter Künstlerkolonie die Besucher auf der Mathildenhöhe zu empfangen. Seit 1926 sind die Löwen auf neuen Pfeilern am Eingang zur Rosenhöhe zu Hause. Die alten Doppelstützen stehen heute als Eingangsportal am Hochschulstadion. Weil den Löwen mit den Jahren der Blick auf den trögen Bernhard-Sälzer-Platz vor Ihnen zu tröge wurde, haben die 6 „niesenden Igel“ ihr Aufgabenfeld erweitert. Sie sind heute hauptberuflich beim Ordnungsamt tätig. Wenn keiner hinschaut, düsen sie mit ihren Rennrädern durch die Stadt und sorgen für freie Geh- und Radwege, prüfen Stellen, die fürs Radfahren ungeeignet sind. Sie stehen für unfallfreie Straßen, auf denen man auf dem Rad keine Angst haben muss und fordern komfortable, bequeme und attraktive Wege für Menschen, die in dieser Stadt Rad fahren wollen.
So, wir hoffen, ihr seid jetzt alle schlauer. Wollt Ihr den Skulpturen etwas mitteilen, oder Ihr wünscht euch, dass DARMSTADT FÄHRT RAD noch andere (vielleicht auch mal weibliche) Denkmäler zum Radfahren animiert, dann nutzt gerne die Kommentarfunktion.
Protipp: Dieser Beitrag könnte eine Portion Ironie enthalten. Für die dargestellten „Fakten“ wird keine Gewähr übernommen. Nicht alles ist erfunden. 🙂
„Trivia: Ludwigs Luftpumpe wurde Mitte der 1970er Jahre gestohlen und 1985 ersetzt.“
Made my day. :-))