Damit die neue Kreuzung zwischen Lincoln- und Ludwigshöhviertel auch für Kinder und Senioren auf dem Rad funktioniert, muss die Planung an einigen Stellen angepasst werden
Darmstadt fährt Rad hat neben anderen Initiativen im März 2023 Einwendung gegen die Planfeststellung zur Anbindung des neuen Ludwigshöhviertels in Darmstadt erhoben. Konkret wird Kritik geübt an der Planung der Kreuzung an der Heidelberger Straße mit der Cooperstr. und der neu zu bauenden Planstraße A (Anbindung an die Karlsruher Str.). Diese berücksichtigt den Radverkehr nicht ausreichend. Insbesondere für Kinder, Senioren auf dem Fahrrad und andere vulnerable Verkehrsteilnehmer ist bei der Planung nicht genug Vorsorge getroffen worden. In einer früheren Planung der Kreuzung (2021, s. Titelbild und Erklärung unter dem Beitrag) waren kurze, verständliche und weitgehend geschützte Wege für den Radverkehr vorgesehen. Den Bedürfnissen von Menschen auf Fahrrädern nach baulich geschützter Führung wurde dabei grundsätzlich Sorge getragen. Im Zuge des späteren Planfeststellungsverfahrens (2023) für das Ludwigshöhviertel ist im Vergleich eine rückständige Planung vorlegt worden. Das ist nicht verständlich.
Aktuelle Situation vor Umbau der Kreuzung:
Darmstadt fährt Rad veröffentlicht hiermit die Einwände gegen die Planfeststellung. Wem das (leicht gekürzte) Original der Einwendung zu viel Text ist, dem sei hier eine kurze Zusammenfassung präsentiert. PROTIPP: Trotzdem die für diesen Beitrag erstellten Grafiken unten anschauen, das diese sehr gut die Defizite der Planung veranschaulichen. Die Planung ist wegen folgender Punkte problematisch:
- Die Planung verstößt gegen Regelwerke wie der ERA (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen), der E Klima 2022, Qualitätsstandards des Landes Hessen und der Darmstädter Radstrategie.
- Die Planung schafft Unfallrisiken für Radfahrende.
- Die Geschwindigkeitsbegrenzung wird in der Cooperstraße von 30 auf Tempo 50 km/h erhöht (ursprünglich war ein Beibehalten des Tempo 30 geplant).
- Die Nutzung der geplanten Kreuzung ist für den Radverkehr an vielen Stellen unverständlich, die Wegeführung nicht eindeutig.
- Es fehlen auf vielen Wegen baulich getrennte Wege. Für das Abbiegen ist häufig Mut erforderlich, da die Führung nur über die Fahrbahnen mit dem Kfz-Verkehr möglich sind. Die Kreuzung ist daher vor allem für Kinder und Senioren nicht geeignet. Da die Kreuzung jedoch an einem Schulweg liegt, werden durch die aktuelle Planung hessische Vorgaben missachtet, Radwege baulich getrennt zu führen.
- Viele Wege sind als gemeinsame Wege mit dem Fußverkehr geplant. Dies ist nach Regelwerken nur in Ausnahmefällen erlaubt. Es führt insbesondere bei Unterschreitung der Wegesbreiten zu Konflikten und Gefährdungen unter Fußgänger* und Radfahrer*innen. Die Breiten der Wege sind jedoch in der Planung unterdimensioniert.
- Vorgaben zur Freihaltung von Sichtfeldern sind nicht ausreichend berücksichtigt.
- Vorgaben zu Mindestradien von Radwegen wurden ignoriert. Abrupt abknickende Fahrlinien lenken vom Verkehrsgeschehen ab und erhöhen gerade an Kreuzungen das Unfallrisiko.
- Aufstellflächen für den Radverkehr wurden nicht ausreichend groß dimensioniert.
- Die Planung ist nicht abgestimmt mit der Planung der Planstraße im westlichen Anschluss.
Im Zuge der Einwände gegen die Planfeststellung sind vorrangig Initiativen zum Erhalt des Waldes gehört worden. Beim Umbau der Kreuzung für den Kfz-Verkehr und den ÖPNV müssen viele Bäume weichen. Sogar die Straßenbahntrasse muss umgelegt werden. Die Stadt begründet die schmalen Wege für den Fuß- und Radverkehr mit der geringen Flächenverfügbarkeit, hatte jedoch keine Hemmungen für den Kfz-Verkehr in jedem Knotenarm ca. 10 m breite Flächen vorzusehen. (Im aktuellen Entwurf ist im östlichen Knotenarm ein Fahrstreifen entfallen.) Die Stadt misst hier mit zweierlei Maß. Dies ist nicht akzeptabel, insbesondere da Fahrrad- und Fußverkehr die einzigen beteiligten wirklich CO2-neutralen Verkehrsmittel sind. Dieser Entwurf entspricht nicht den Bedarfen an eine klimafreundliche Mobilität.
Die geplante Kreuzung bevorzugt und fördert klimafeindliche Kraftfahrzeuge und macht es Menschen schwer, die klimafreundliche Verkehrsmittel nutzen wollen. Die Stadt Darmstadt bezeichnet das Mobilitätskonzept des Ludwigshöhviertels als besonders nachhaltig und zeitgemäß. Dieser Anspruch muss jedoch auch bei der äußeren Erschließung fortgeführt werden. Wer will, dass mehr Menschen das Fahrrad als Verkehrsmittel nutzen, muss gerade an Kreuzungen dafür sorgen, dass dies sicher, angstfrei und komfortabel funktioniert.
Die in den Grafiken unten dargestellte Planung ist aus 2023. Im Zuge der Einwendungen gab es eine leichte Überarbeitung zum Schutz des Baumbestandes, u.a. auch eine Reduzierung der Kfz-Streifen, jedoch nicht zum Vorteil des Radverkehrs. Auch ansonsten wurden die Einwände der Radverkehrsinitiativen nicht berücksichtigt. Die aktuellste Planung kann im Artikel des Darmstädter Echos vom April 2024 eingesehen werden.
Darmstadt fährt Rad wird sich weiterhin gegen die Umsetzung dieser Planung umsetzen. Die Stadt Darmstadt hat einer Gesprächsanfrage zugestimmt und werde auf die Verbände des Radverkehrs zugehen.
Einwendungen Planfeststellungsverfahren (März 2023)
Anbindung Ludwigshöhviertel
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Rahmen des Planfestellungsverfahrens erhebe ich nachfolgende Einwendungen
- der Plan ist nicht feststellungsfähig, da
- Die Auswirkung der Planung auf den Radverkehr nicht ausreichend untersucht wurden
- Im Hinblick auf den Radverkehr enthält die Planung der Kreuzung Heidelberger Straße Ecke Cooperstraße mangelhafte und regelwidrige Ausführungsdetails, die zum Nachteil des Radverkehrs führen.
- Die Belange von Radfahrenden, die geltenden Regelwerke, sowie die Radstrategie der Stadt Darmstadt wurden beim Entwurf nicht ausreichend berücksichtigt
(…)
Feststellungsfähigkeit
Fehlende Untersuchungen zu Auswirkungen auf den Radverkehr
Der Plan ist in der jetzigen Form nicht feststellungsfähig. Bei dem Entwurf der Kreuzung Heidelberger Straße Ecke Cooperstraße sind nicht alle betroffenen Belange erfasst und abgewogen worden. Konkret wurden die Auswirkungen der Maßnahme auf den Radverkehr und insbesondere auf vulnerable Nutzergruppen wie Rad fahrende Kinder oder Senioren nicht ausreichend untersucht. Die Belange von Radfahrenden, die geltenden Regelwerke, sowie die Radstrategie der Stadt Darmstadt, wurden beim Entwurf nicht ausreichend berücksichtigt.
Geltende Grundlagen für die Planung von Radverkehrsanlagen in der Stadt Darmstadt
Geltende Grundlagen für den Bau von Radverkehrsanlagen in der Stadt Darmstadt sind neben den Rechtsgrundlagen die einschlägigen Regelwerke der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) wie die ERA 2010 oder die E Klima 2022 als Stand der Technik, sowie die 2019 vom Stadtparlament beschlossene Radstrategie.
Radstrategie
Mit der Radstrategie möchte die Stadt Darmstadt „eine fahrradfreundliche Stadt“ werden „mit einer einladenden und sicheren Infrastruktur für alle Menschen, die Radfahren wollen.“
Auszug aus Ziel A2: Bis 2030 soll der Radverkehrsanteil im Modal Split auf 30 % gesteigert werden, die Steigerung solle durch die Verlagerung von Autofahrten auf das Fahrrad erreicht werden.
Unter Ziel A3 der Radstrategie heißt es „Im Hauptradnetz müssen für alle Zielgruppen attraktive und sichere Angebote geschaffen werden, unabhängig davon, ob es sich um Hauptverkehrsstraßen oder um Straßen/Wege im übrigen Netz handelt. Künftige Radplanungen sind aus dem Blickwinkel von schwächeren Verkehrsteilnehmern (wie Kinder, Senioren, unsicher Radfahrende, mobilitätseingeschränkte Menschen) zu entwickeln.“
Und weiter unter Ziel A4 – Flächengerechtigkeit: „Ein attraktives Radnetz braucht mehr Flächen. Dies wird durch die Neuordnung des öffentlichen Raums ermöglicht. Die für den Radverkehr benötigten Flächen werden zum größten Teil von Flächen des bislang räumlich vorherrschenden Autoverkehrs bereit zu stellen sein.“
Unter Ziel A5 erinnert die Radstrategie an Grundsatz des Vorrangs der Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer vor der “Flüssigkeit des Verkehrs“ (VwV-StVO).
Die Radstrategie führt mit Ziel B1 das Regelwerk ERA 2010 der FGSV als „für alle Planungen und bauliche Maßnahmen verbindliches Regelwerk“ fest ein. Für die Breite von Radverkehrsanlagen sind die genannten Regelbreiten plus Sicherheitstrennstreifen einzuhalten. Klammerwerte sind somit nicht zulässig. Weiterhin heißt es „Bei allen Planungen im eigenen Stadtgebiet setzt die Wissenschaftsstadt Darmstadt mindestens die vom Land Hessen veröffentlichten Standards und Musterlösungen zu den verschiedenen Führungsformen des Radverkehrs um.“ Siehe dazu Qualitätsstandards und Musterlösungen der AGNH.
Unter Ziel B2 – Qualitätsoffensive Radverkehrsanlagen an Hauptverkehrsstraßen wird festgelegt, dass „Im Qualitätsnetz Radfahrende entlang von Hauptverkehrsstraßen auf eigenen Radverkehrsanlagen baulich getrennt vom Kfz-Verkehr und vom Fußverkehr geführt werden sollen“. Radwege sind dann in einer Mindestbreite von 2,30 m herzustellen. Die Nord-Süd-Verbindung auf der Heidelberger (Land-) Str. liegt auf einer 2018 im Radnetz festgelegten Radhauptroute. Es ist davon auszugehen, dass diese Strecke sowohl innerhalb des Qualitätsnetzes liegt und langfristig Lösungen für eine Streckenführung gefunden werden muss, die das Ziel B2 der Radstrategie einhält. Somit muss auch der Knotenpunkt die Vorgaben unter Ziel B2 einhalten. Es ist ebenso davon auszugehen, dass sich die Kreuzung künftig auf einer Radschnellverbindung befinden wird und daher, erhöhte Qualitätsanforderungen an die Ausführung der Infrastruktur einzuhalten sind.
Mit Ziel B3 macht die Radstrategie Vorgaben zur Gestaltung von Knotenpunkten. So sind Aufstellflächen mit vorgezogenen Haltlinien als Mindestmaßnahme vorzusehen. Wichtigstes Kriterium sei die Sichtbarkeit von Radfahrenden im Knotenpunkt.
Weiter heißt es „An mehrstreifigen Hauptverkehrsstraßen soll die Machbarkeit von „geschützten Kreuzungen“ nach holländischem Vorbild vorrangig geprüft werden.“. In den Planfeststellungsunterlagen finden sich keine Hinweise darauf, dass diese Option geprüft wurde. Außerdem macht Ziel B3 Vorgaben zur Ausbildung der Geh- und Radwege an Kreuzungen: „Bei Kreuzungen von Hauptverkehrsstraßen mit untergeordneten Nebenstraßen und Grundstückszufahrten sollen baulich getrennte Radwege (Geh- / Radwege) so ausgeführt werden, dass Rad- und Fußverkehr niveaugleich die Hauptverkehrsrichtung nutzen kann.“
Unter Ziel B7 wird festgelegt, dass „Radwege im Seitenraum möglichst mit durchgehendem Rotasphalt ausgestattet werden sollen. Bei Fahrbahnführungen werden Roteinfärbungen auf allen potentiellen Begegnungsflächen von Kfz/Rad vorgenommen, auch an LSA-geregelten Knoten können Furten künftig rot eingefärbt werden.“
E Klima 2022
Im Zuge von Gegenmaßnahmen gegen den Klimawandel stellt die FGSV mit der E Klima 2022 neu Maßstäbe an bestehende Regelwerke. Diese sind an die Belange des Klimas anzupassen, es sind „Grundlagen für ein Verkehrssystem zu schaffen, mit dem es gelingt, Mobilitätsbedürfnisse adäquat zu steuern und zu befriedigen und gleichzeitig
Nachhaltigkeitsziele zu erfüllen.“ Im Folgenden ein Auszug aus der E Klima 2022 zu den wichtigsten Maßnahmen bei künftigen Planungen:
- Geringere zulässige Höchstgeschwindigkeiten und geringere angestrebte Fahrtgeschwindigkeiten im MIV-Netz
- Nachweis der Angebots- und Verkehrsqualität (anzustreben: bestenfalls Stufe D im MIV, Stufen A bis C im Rad- und Fußverkehr, Stufen A und B im ÖV)
- Priorisierung der Verkehrsteilsysteme in der Reihenfolge Fußverkehr – Radverkehr – ÖV – fließender MIV – ruhender Verkehr (priorisierende Verkehrsplanung, priorisierender Straßenentwurf und priorisierendes Verkehrsmanagement)
- Zur Gewährleistung der objektiven wie subjektiven Sicherheit mit dem Ziel einer gesteigerten Nutzung von Radverkehrsanlagen bedarf es nach E Klima 2022 ausreichend breiten Radverkehrsanlagen.
- Umverteilung von Flächen zugunsten der umweltfreundlichen Modi und zugunsten von Retentions- und Grünflächen sowie Baumstandorten
Qualitätsstandards und Musterlösungen der AGNH
Gemäß Erläuterungsbericht S. 10 soll die Heidelberger Straße eine Radschnellverbindung erhalten. Die Qualitätsstandards und Musterlösungen der AGNH legen für Radschnellwege Mindestbreiten für Radschnellverbindungen fest.
In den Qualitätsstandards und Musterlösungen der AGNH sind zudem Einsatzgrenzen von baulich ungeschützter Radverkehrsführung in Abhängigkeit vom angeordneten Tempo dargestellt.
Für die Kreuzung Heidelberger Str./Cooperstr. gelten die Anforderungen für das Schulnetz, da sich die Kreuzung im Lauf von Schulwegen zu und von verschiedenen Schulen befindet.
Für die Führung ist demnach aufgrund eines höheren Schutzanspruchs und zur Sicherstellung der objektiven und subjektiven Sicherheit eine durchgängig bauliche Separierung erforderlich.
Inhaltliche Einwände
Knotenpunkt Heidelberger Str./Cooperstr.
Allgemein
- Der Entwurf der Kreuzung berücksichtigt die Bedürfnisse schwächerer Radfahrender wie Kinder und Senioren nicht ausreichend.
- Die Kreuzung befindet sich auf verschiedenen Schulwegen. Somit sind die Radwege baulich vom MIV zu trennen. Dies gilt insbesondere da Cooper- und Planstraße A mit Tempo 50 ausgewiesen werden sollen. Im Entwurf fehlt jedoch auf unterschiedlichen Abschnitten die bauliche Trennung.
- Die angestrebte Qualitätsstufe der Angebots- und Verkehrsqualität ist für den Radverkehr im Erläuterungstext nicht ausgewiesen. Auf Seite 10 des Erläuterungsberichts soll der Kreuzung allgemein eine Qualitätsstufe B zugewiesen werden. Nach E Klima 2022 ist für den MIV bestenfalls ein D zuzuweisen, für den Radverkehr die Stufen A-C. Die Qualitäten sind somit für die Verkehrsmittel getrennt im Sinne des Klimaschutzes festzulegen.
- Radwegefurten sind nach ERA aus Sicherheitsgründen farbig einzufärben. Dies trifft insbesondere für Zweirichtungsradwege zu (Kap. 3.5). Ebenfalls sind Fahrradsinnbilder sowie Richtungspfeile zu markieren. Sowohl auf der Westseite als auch auf der Ostseite der Heidelberger Straße sind Zweirichtungsradwege vorhanden. Gemäß Vorplanung für die Planstraße ist offensichtlich auch auf der Nordseite der Planstraße A ein Zweirichtungsradweg geplant. Eine Rotmarkierung ist in der Planung bei keiner Radverkehrsfurt dargestellt. Ebenso fehlen die erwähnten Symbole. Die Elemente sind am südlichen Knotenpunktarm (Querung der Cooperstr.) besonders wichtig, da die Furt weit von der Fahrbahn abgesetzt ist, und Autofahrende nicht unbedingt mit dem Radverkehr auf dem Zweirichtungsradweg rechnen.
- Nach ERA (Kap. 4.1.1.) müssen „Knotenpunkte aus allen Knotenpunktzufahrten rechtzeitig erkennbar, begreifbar, übersichtlich sowie gut und sicher befahrbar bzw. begehbar sein. Die Knotenpunkte sollen zügig und sicher befahrbar sein (Vermeidung enger Radien, hoher Borde, abrupter Verschwenkungen) und die Verkehrsräume freigehalten werden. Die Führung des Radverkehrs in Knotenpunkten und dessen signaltechnische Steuerung bzw. die Vorrangverhältnisse sollen für alle Verkehrsteilnehmer eindeutig zu begreifen sein.“ In der vorliegenden Planung sind diese Kriterien nicht ausreichend umgesetzt. Für den Radverkehr fehlen zum Teil verständliche, objektiv wie subjektiv sichere Fahrbeziehungen. Näheres siehe Knotenpunktarme.
- Die Detaillierung der Ausbildung der Elemente der taktilen Führung wird laut Erläuterungsbericht in der Ausführungsplanung erstellt. Laut den vorliegenden Plänen sind jedoch Festlegungen getroffen worden, die nicht dem aktuellen Stand der Technik zu barrierefreien Querungsstellen mit differenzierten Bordhöhen entsprechen. Es ist dabei die aktuell gültige Norm die DIN EN 17210:2021-08 anzuwenden, nach welcher Rampen an Querungsstellen mit mindestens 1,80 m Breite auszuführen sind, sodass sich zwei Rollstuhlfahrende begegnen können. In den Plänen sind jedoch Rampen von 90 cm Breite dargestellt. Diese Vorgabe entstammt aus der DIN 18040-3 und ist für die Festlegung der Breiten der Rampen veraltet und nicht mehr anzuwenden.
- Nach ERA ist die Breite der gemeinsamen Wege in Abhängigkeit von der Verkehrsmenge des Fuß- und Radverkehrs zu bemessen. Bemessungsgröße ist die Spitzenstunde. Eine Prognose der Verkehrsmenge des Rad- und Fußverkehrs liegt dem Planfeststellungsverfahren jedoch nicht bei. Die Bemessung der Wegebreiten kann nicht überprüft werden. Da jedoch in der Heidelberger Str./Landstr. ein Radschnellweg entstehen soll, gelten nach Qualitätsstandards des Landes Hessen folgende Mindestwerte für die Breite der Radwege: Gemeinsame Geh- und Radwege sind generell nur für kurze Strecken zugelassen und müssen eine Mindestbreite aufweisen von 5 m zuzüglich Abstandsstreifen. Für Radschnellverbindungen sind daher getrennte Wege vorzusehen. Dann sind Zweirichtungsradwege mindestens 4 m breit zuzüglich Gehweg (2,5 m) und Abstandsbreiten herzustellen. An der Gestaltung der Kreuzung ist nicht erkennbar, dass diese Anforderungen künftig hergestellt werden können. Die in der Planung dargestellten gemeinsamen Zweirichtungsradwege messen 3,5 – 5 m inkl. Fußverkehr. Der vom Fußverkehr getrennte Radweg auf der Ostseite der Heidelberger Straße ist in der Planung nur 2,5 m breit. Auch dieser Weg ist als Zweirichtungsradweg geplant und daher viel zu schmal.
Knotenpunktarm Süd
Mit dem Rad geradeaus fahren:
- Die Führung des Radverkehrs erfolgt auf der Heidelberger Landstraße aktuell im sogenannten dualen System. Grundsätzlich vorgesehen ist eine gemeinsame Führung mit dem MIV. An der Fahrbahn südlich der Kreuzung ist ein Seitenstreifen mit verwitterter Markierung vorhanden. Langfristig ist analog zur umgesetzten Planung im restlichen Abschnitt der Heidelberger Landstr. abzusehen, dass die Führung über Radfahrstreifen erfolgen wird. Alternativ ist aktuell auf der Ostseite der Straßenbahntrasse eine gemeinsame Führung mit dem Fußverkehr im Seitenraum möglich. Diese Streckenführung erfolgt auf einem, für den Radverkehr freigegebenen Gehweg. Der Gehweg ist über längere Abschnitt nur 2 m breit und darf in beiden Richtungen mit dem Rad befahren werden (mit VZ 239 mit Zusatzzeichen 1022-10 Rad frei ausgeschildert). Der Weg führt direkt an Grundstückzufahrten vorbei. Die Führung ist konflikt- und unfallträchtig, da an Querstraßen und Grundstückzufahrten Radfahrende vom Kfz-Fahrenden schlecht gesehen werden können (Sichthindernisse durch Grundstückseinfriedungen etc.).
- Eine Führung des Radverkehrs auf für den Radverkehr freigegebenen Gehwegen schließt die ERA u.a. in folgenden Fällen aus:[1]
- überdurchschnittlich hohe Benutzung durch besonders schutzbedürftige Fußgänger (z. B. Menschen mit Behinderungen oder Mobilitätseinschränkungen, Kinder}
- Hauptverbindungen des Radverkehrs
- dichte Folge von unmittelbar an Gehwege mit Mindestbreiten angrenzende Hauseingänge
Das folgende Video aus der Studie „Factors influencing single-bicycle crashes at skewed railroad grade crossings“, Lang et al. (2017) zeigt das Unfallrisiko beim Queren von Schienen, wenn diese im spitzen Winkel gequert werden. In der vorliegenden Kreuzung kann bei der Führung vom Süden (Option A) beim Geradeausfahren eine solche Situation eintreten:
Alle oben dargestellten Ausschlusskriterien treffen auf die gemeinsame Führung mit dem Fußverkehr im Seitenraum zu. Diese ist somit regelwidrig, unsicher und daher langfristig zu unterbinden. Daher ist es grundsätzlich richtig, den Radverkehr in Fahrbahnnähe zu führen. Ein Angebot für eine Nutzergruppe inkl. Kinder und Senioren, wie es die Radstrategie festlegt, wird jedoch nicht mit einem ungeschützten Radfahrstreifen erreicht. Eine bauliche Trennung ist notwendig, wenn die Radverkehrsanlage von Kindern und unsicheren Radfahrenden genutzt werden soll (AGNH). Entsprechend baulich geschützt ist die Radwegeführung am Knotenarm der Kreuzung zu gestalten.
- Im nördlichen Knotenarm wird die gemeinsame Führung von Rad- und Fußverkehr für Radfahrende benutzungspflichtig. Im Entwurf wird daher der Radverkehr südlich der Haltestelle Cooperstraße von der Fahrbahn über eine weniger als ca. 2 m breite Querungsstelle auf den gemeinsamen Geh- und Radweg geführt (Eine Maßkette fehlt im Plan). Dies ist in vielerlei Hinsicht problematisch:
- Aus Gründen der Verkehrssicherheit sind gemäß ERA 2010 „ausreichende Sichtbeziehungen zwischen dem Radverkehr und anderen Verkehrsteilnehmern zu gewährleisten.“. Der Radverkehr wird entgegen diesem Grundsatz vor dem Knotenpunkt auf einen Zweirichtungs-Geh und Radweg hinter das Sichthindernis Haltestelle geführt.
- Radfahrende werden auf eine gemeinsame Fläche mit dem Fußverkehr geführt, der auch nach ERA (s. vorgenannten Punkt 1 und 2) nicht als gemeinsame Fläche mit dem Fußverkehr zulässig ist. Es handelt sich bei der Radführung auf der Heidelberger (Land-) Str. um eine Hauptradwegeverbindung. Insbesondere in der Kombination als Zweirichtungsradweg ist diese Führung hochproblematisch. Sie führt zu unnötigen und risikoreichen Behinderungen und erhöht das Unfallrisiko[2]. Sie ist daher nicht StVO konform[3].
- Knotenpunkte müssen nach ERA „zügig und sicher befahrbar sein“. Enge Radien, hohe Borde, abrupte Verschwenkungen sind zu vermeiden, die Verkehrsräume sind freizuhalten. Aufstellflächen sind ausreichend zu dimensionieren. Die Querungsstelle südlich der Haltestelle mit ihren 90 Grad Kurven und viel zu engen Warteflächen, entspricht diesen Vorgaben nicht, insbesondere weil davon auszugehen ist, dass diese Führung die Hauptführung für die Richtungen Geradeaus und Links sein wird.
- Eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Radverkehrs (insbesondere für die Qualität Radschnellverbindung) über die rechtwinklige, schmale Querung des Schienenkörpers, wird hiermit infrage gestellt. Sie ist in der Planfeststellung nicht nachgewiesen.
- Im Erläuterungsbericht wird erwähnt, dass die Gleise versetzt werden müssen, um Platz zu schaffen für den Bahnsteig zwischen Fahrbahn und Gleis. Es ist nicht nachvollziehbar, warum in diesem Zuge nicht noch eine regelkonforme Radverkehrsanlage berücksichtigt werden konnte. Eine nach Radstrategie geforderte Flächenumverteilung zugunsten des Radverkehrs wird im Rahmen des Entwurfs nicht umgesetzt[4].
- Die Objekte der Haltestelle stellen nach Planlage für rechtsabbiegende Kfz-Fahrende ein Sichthindernis dar, dass es ihnen erschwert, querende Radfahrende und Fußgänger zu erkennen.
Mit dem Rad links abbiegen:
- Es ist der Planung nicht ablesbar, wie für Radfahrende ein objektiv wie subjektiv sicheres Abbiegen nach links in die Planstraße A vorgesehen ist. Es ist umwegig und Radfahrenden nicht zuzumuten, für ein indirektes Abbiegen zunächst hinter die Haltestelle zu fahren, um dann erst die Heidelberger Straße zu queren. Aufstellflächen für ein indirektes Abbiegen fehlen an dieser Stelle. Ein nicht baulich geschütztes direktes Linksabbiegen ist als Führung u.a. auf Schulrouten ausgeschlossen.
Mit dem Rad rechts abbiegen:
- Das Abbiegen nach rechts funktioniert risikoarm lediglich aus dem Seitenraum. Das Abbiegen über die Fahrbahn birgt aufgrund des spitzen Winkel das Risiko mit dem Rad in die Straßenbahnschienen zu geraten.
- Im Seitenraum trifft in der Planung der Radweg der Heidelberger Landstraße rechtwinklig auf den Radfahrstreifen der Cooperstraße. Dies erschwert das Abbiegen, missachtet den Grundsatz der sicheren Befahrbarkeit der ERA und birgt ein Risiko für Alleinunfälle.
Knotenpunktarm Ost
- Die Cooperstr. ist aktuell als Tempo 30 Zone ausgezeichnet. In der Neuplanung ist für die Cooperstraße Tempo 50 vorgesehen. Diese Planung für die Erschließungsstraße in ein Wohnviertel ist nicht im Sinne der Vision Zero und nicht zu rechtfertigen, da nachgewiesenermaßen ein erhöhtes Tempo das Unfallrisiko steigt. Zudem steht dieses Vorgehen im Widerspruch zu den Klimazielen der Stadt Darmstadt.
Mit dem Rad geradeaus fahren:
- Wer die Heidelberger Str. geradeaus queren will, endet der Furtmarkierung folgend in der künftigen Planstraße A auf dem Hochbord. Es ist der Planung nicht zu entnehmen, um welche Art Radverkehrsanlage es sich handelt, die vorgesehene Führung ist nicht verständlich.
Mit dem Rad nach links abbiegen:
- Es ist in der Planung nicht erkennbar, wie für Radfahrende ein objektiv wie subjektiv sicheres Abbiegen nach links vorgesehen ist. (s. Knotenarm Süd)
Mit dem Rad rechts abbiegen:
- Die Führung für rechtsabbiegende Radfahrende von der Cooperstraße kommend ist nicht verständlich, umständlich und umwegig. Eine fehlende Vorrichtung, für freies Rechtsabbiegen für den Radverkehr wird dazu führen, dass Radfahrende das Rotlicht missachten und illegal über den Gehweg auf den nördlich gelegenen Radweg ausweichen. Die vorgezogene Haltelinie mit 2 m ist nicht gemäß ERA. Radfahrende sind an der Haltlinie insbesondere aus Lkw nicht direkt zu sehen. Gemäß ERA sind Haltlinien mindestens 3, besser 5 m vorzuziehen.
„Die Haltlinie des Radverkehrs soll daher 3,00 m (bei stärkerem Radverkehr 4,00 m bis 5,00 m) vor der Haltlinie des Kraftfahrzeugverkehrs liegen.“
- Es ist abzusehen, dass der aktuelle Entwurf der Führung des Radverkehrs an den Bushaltestellen insbesondere bei anfänglichem SEV-Betrieb ein hohes Konfliktpotential mit Radfahrenden und Nutzern des ÖV birgt.
Knotenarm Nord:
Mit dem Rad geradeaus:
- Die Querung der Planstraße A erfolgt über einen Zweirichtungsrad und -gehweg (VZ 240). Die als gemeinsame Führung ausgebildete Furt ist in der Planung nicht farbig markiert, es fehlen Fahrbahnmarkierungen, um zu verdeutlichen, dass Radfahrende aus beiden Richtungen kommen können.
Mit dem Rad links abbiegen:
- Es ist in der Planung nicht erkennbar, wie ein Abbiegen in die Cooperstraße vorgesehen ist. Es fehlt eine begreifbare Überführung für ein direktes Linksabbiegen. Ebenso ist unverständlich, wie indirekt links abgebogen werden soll. Es fehlen ausreichend dimensionierte Aufstellflächen. Offensichtlich wurde die Anpassung der Planung nicht mit der Vorplanung der Planstraße A abgestimmt. (s. auch Knotenarm West)
Mit dem Rad rechts abbiegen:
- In der Planung ist nicht ersichtlich, welche Art Radverkehrsführung vorgesehen ist.
Ergänzung:
- Der Radweg am Gleisdreieck nördlich der Cooperstraße wird unüblicherweise stark nach rechts verschwenkt. Nach ERA ist eine Querung von Straßenbahnschienen ab einem Winkel von 50 gon problemlos möglich. Es ist zu prüfen, ob die extrem bauchige Führung des Radwegs abgemildert werden kann. Eine Lösung einer Füllung der Schienen mit Gummiprofilen (z.B. „Velogleis“) wäre vorstellbar und sollte geprüft werden. Ebenso die direkte Anbindung des Radwegs von Osten.
Knotenpunktarm West:
- Es liegt ein Beschluss des Stadtparlaments zur Vorplanung der Planstraße A im Quartier Lincoln vor (2021/334 v. 14.12.2021)
- Gemäß Vorplanung ist ein Zweirichtungsrad- und Gehweg auf der Nordseite der Planstraße A vorgesehen. Auf der Südseite ist keine Radverkehrsanlage vorgesehen. In dieser Vorplanung war auf der Nordseite der Cooperstraße ebenfalls ein Zweirichtungsradweg vorgesehen. Dieser entfällt nun mit der Vorlage der Planfeststellung. Auf diese Änderung wird beim westlichen Arm der Kreuzung planerisch nicht reagiert.
- Das Überprüfen der Bemessung der Breite des Wegs ist nicht möglich, da in den Planfeststellungsunterlagen eine Prognose für die Verkehrsstärke des Fuß- und Radverkehrs fehlt.
Mit dem Fahrrad geradeaus:
- Es fehlt eine sichere, verständliche Überführung für den Radverkehr auf den Einrichtungsradweg in der Cooperstaße.
- Eine Führung im Mischverkehr ist nur bei frühzeitiger Überführung möglich. Diese ist in der Planung nicht ablesbar. Zudem wird diese Führung nur von einem Teil von Radfahrenden genutzt. Die Qualitätskriterien für ein Schulnetz sind nicht erfüllt.
Mit dem Fahrrad links abbiegen:
- Ein Abbiegen auf den linksseitigen Zweirichtungsradweg in der Heidelberger Straße ist problemlos möglich. Da dieser jedoch hinter der Noackstraße für den Radverkehr gesperrt ist, ist eine frühzeitige intuitive Überführung auf den Weg östlich der Gleise notwendig. Diese ist in der aktuellen Planung nicht gegeben.
Mit dem Fahrrad rechts abbiegen:
- Ein Abbiegen nach Süden ist über eine gemeinsame Furt mit dem Fußverkehr möglich. Siehe dazu die Mängel der Furtausführung unter Knotenpunktarm Nord.
Zum Vergleich: Vorplanung zu Planstraße A von 2021:
Fazit
Führungen mit Kraftfahrzeugen werden von den meisten Menschen auf dem Fahrrad nicht gerne genutzt. Während Streckenführungen mittlerweile häufig mit baulichen Trennungen angelegt werden, enden diese Führungen häufig vor den Kreuzungen und Radfahrende werden im Mischverkehr geführt und müssen gemeinsam mit Autos abbiegen.
Die Gestaltung von Knotenpunkten ist ein wichtiger Baustein bei der Verkehrswende. Möchte man mehr Menschen aufs Rad bringen, dann muss man auch an Kreuzungen Radverkehrsführungen bauen, die von einer großen Nutzergruppe von Radfahrenden angstfrei genutzt werden können. Mit dem Umbau der Kreuzung Heidelberger Straße/Cooperstr. hat die Stadt die Gelegenheit, dieses Umdenken im Straßenbau zu demonstrieren. Mit der aktuellen Planung gelingt dies nicht, sie verstößt zum Teil sogar gegen geltende Regelwerke.
[1] FGSV (2010), ERA 2010 Tabelle 28
[2] UDV, Forschungsbericht 21, 2013
[3] Zu §1 VwV-StVO
[4] Radstrategie Stadt Darmstadt Ziel A4