Question Time N°4 – Heidelberger Straße

Planung Umbau Heidelberger Straße – Bessungen

OFFENER BRIEF an das Dezernat III der Stadt Darmstadt vom 29.05.2017

Sehr geehrte Frau Dr. Boczek, sehr geehrter Herr Landsiedel,

mit Interesse lass ich die Berichte zum Umbau der Heidelberger Straße und zu dem wichtigen Lückenschluss eines der -laut Verkehrsentwicklungsplan (VEP) von 2005 (S.103ff)- problematischsten Nadelöhre im Darmstädter Radverkehrsnetz.

Das klingt gut, und ist ein Mehrgewinn für den Radverkehr.

Da schon beim Umbau der Bismarckstraße der Schwerpunkt sehr auf dem ÖPNV lag, und der Radverkehr den Kürzeren ziehen musste, hat sich Darmstadt fährt Rad die Planung einmal angesehen, unter dem Gesichtspunkt, ob diesmal eine Infrastruktur für ALLE hergestellt wird oder nur für eine Auswahl von Radfahrenden.

Positiv an der Planung ist die generelle Umlage von Flächen von MIV auf Radverkehr und die Anlage von Fahrradstellflächen an Knotenpunkten.

Leider werden jedoch an dieser, komplett neu angelegten Strecke, vor allem wieder nur Linien auf den Belag gemalt. Radfahrstreifen werden jedoch nicht von allen Radfahrenden oder gar potentiell Radfahrenden genutzt.

Die Planer werden behaupten, dass hier aufgrund des mangelnden Platzangebots eine Ausnahmesituation vorliegt, und daher nur eine Lösung mit Radfahrstreifen in Betracht kommt. Das mag auf Ausnahmesituationen zutreffen. Ob hier allerdings eine solche vorliegt, ist zweifelhaft, zumal man unter den Verkehrsplanern der Stadt davon ausgeht, dass sich der schnelle MIV auf den Donnersbergring verlagern wird. Wenn das so ist, warum wird dann nicht aus dem Streckenabschnitt eine Straße mit einer Spur für MIV+ÖPNV je Richtung und mit Aufenthaltsqualitäten in den Randbereichen und richtigen Radwegen für ALLE?

PLANUNG Wissenschaftsstadt Darmstadt (zwischen Bessunger und Sandbergstr.):

 

ALTERNATIVE:

 

Auch wenn die ERA in Hessen noch nicht verpflichtend eingeführt wurde, so stellt sie in Deutschland doch den Stand der anerkannten Regeln der Technik[1] für den Bau von Radfahrinfrastruktur dar.

Für Radfahrstreifen gibt die ERA ein Mindestmaß von 1,85m plus mindestens 50cm Sicherheitstrennstreifen zu Längsparkständen vor.

In der Praxis, stellt man schnell fest, dass dieses Mindestmaß nicht funktioniert. Hält der Radfahrer eine Autotürbreite Abstand zu den parkenden Autos (das ist Pflicht) dann bleiben ihm zur linken KFZ Spur noch 35 cm. Damit kann kein weiterer Radfahrer überholen. Ein Radfahrer mit Kinderanhänger oder Lastenrad wird hier zwangsläufig auf der Straße fahren.

Die Planung hingegen hält jedoch nicht einmal die Mindestmaße der ERA von 1,85m Breite ein, sondern unterschreitet streckenweise das Maß um 35cm!

  • Warum muss an dieser kurzen Engstelle zwischen Sandberg und Moosbergstraße nach der neuen Planung gerade der Radverkehr Flächeneinbußen hinnehmen, während für den motorisierten Verkehr drei Spuren erhalten werden?
  •  Warum wird an einer durchgängig roten Einfärbung gespart, welche nachgewiesenermaßen[2] deutlich die Aufmerksamkeit auf den Radfahrer erhöht?
  •  Warum wird der baulich getrennte Radweg auf dem letzten Teilstück zwischen Moosbergstraße und Landskronstraße nicht ertüchtigt, sondern stattdessen ein Duales System eingeführt, dass wiederum für Konflikte unter den Verkehrsteilnehmern sorgt? (Auch gegenüber ließen die Platzverhältnisse eine bauliche Lösung zu.)

Diese Planung ist kostengünstig, aber sie ist weder regelkonform noch nachhaltig. Sie wird Konflikte schüren zwischen Fußgängern und Radfahrenden, die aus Angst vor der Straße weiterhin auf dem Gehweg fahren und solche zwischen KFZ und Radfahrenden, die andere Radfahrende überholen, weil der Streifen zu schmal angelegt ist. Diese Art der Fahrrad-Infrastruktur schließt die ängstlicheren unter den Radlern aus. Sie ist keine Lösung, die Kinder und ältere Menschen benutzen werden.

Darmstadt fährt Rad fordert den Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt auf, die Planung zumindest dahingehend zu modifizieren, dass die Mindestmaße der ERA eingehalten werden.

 


[1]  Nach Auskunft der Hessischen Straßen- und Verkehrsverwaltung liegt die ERA auch ohne verbindliche Einführung der Förderung von Radverkehrsvorhaben zugrunde:

http://www.adfc-hessen.de/aktiv/hessen-forum/2011/LAT2011_ERA-und-StVO-Novelle.pdf

https://nationaler-radverkehrsplan.de/de/aktuell/nachrichten/empfehlungen-fuer-radverkehrsanlagen-era-2010

 

[2] Studie Uni Delft (Van Goeverden und Goodefroi 2011)

 

 

++++++++++++ UPDATE 09.11.2017 +++++++++++++

Bislang liegt Darmstadt fährt Rad keine Antwort auf die Frage vor.

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