ANALYSE DES BESTANDSRADVERKEHRSNETZES DARMSTADTS – KNOTENPUNKTE
Analyse signalisierter Kreuzungen an Straßen ≥ 40 km/h
zu Teil 3.1 – Ergebnisse, Analyse der Ergebnisse
zu Teil 1 – Analyse aller Strecken an Straßen ≥ 40 km/h
zu Teil 2 – Stress, subjektive Sicherheit an den Strecken an Straßen ≥ 40 km/h
Gesamtbewertung der Knotenpunkte
In der Gesamtbewertung wurden Noten von 1-4 für die Qualitätskriterien für den Radverkehr vergeben. Unterteilt wurde in die Kategorien Allgemeine Qualität, Subjektive Qualität und Unfallsicherheit. Im folgenden Diagramm sind die 7 Kreuzungen über die drei Kategorien verglichen. Im Durchschnitt liegen alle drei Kategorien bei der Note 3. Jedoch insbesondere bei der subjektiven Sicherheit haben die 7 Kreuzungen noch schlechter abgeschnitten. Aber auch bei der Unfallsicherheit bewegen sich vier der 7 Knoten zwischen 3 und 4. Mehr dazu in der Tabelle der Anlage 2 Vergleich und Bewertung der Kreuzungen.
Die gefährlichsten Unfallkreuzungen im Detail
Im Folgenden wird die Analyse ergänzt durch die Ergebnisse von Vor-Ort-Begehungen. Diese Analyse der infrastrukturbezogenen Mängel erfolgt zunächst nur mit den sieben unfallträchtigsten Kreuzungen. Für diese Knoten werden Empfehlungen für Sofortmaßnahmen und längerfristige Maßnahmen gegeben. Ergänzend dazu folgen – weniger detailliert – die Ergebnisse der drei Knotenpunkte mit jeweils 8 Unfällen in 5 Jahren. Zum Vergleich folgen zwei große Kreuzungen ohne bemerkenswertes Unfallgeschehen und die Kreuzung des Verkehrsversuchs SQUADA.
Zusammengefasst ist diese Analyse der 7 Unfallkreuzungen im Anhang Kreuzungs-Steckbriefe:
1-A097 – Pallaswiesenstraße/ Im Tiefen See
Nicht die größte, aber die unfallreichste
Es ist zunächst verwunderlich, dass sich an dieser Kreuzung die meisten Radverkehrsunfälle ereignen. Denn an dieser Kreuzung kreuzen sich zwar die sehr stark befahrene Bundesstraße B3 „nur“ mit einer Nebenstraße und einer Grundstückzufahrt (Supermarkt/Betrieb). Zudem liegen sowohl die Kfz- als auch die Fahrrad-Verkehrsstärken unter dem Durchschnitt der verglichenen Knotenpunkte. Die Radverkehrsstärke liegt im Vergleich sogar nur bei 40% des Durchschnitts der Unfallkreuzungen. Verglichen mit den 7 Kreuzungen herrscht an dieser Kreuzung damit das zweithöchste individuelle Unfallrisiko für Radfahrende (Unfallrate[18]) und fast das Siebenfache (!) des Risikos der Kreuzung 3_Rheinstraße/Berliner Allee. Höchstwahrscheinlich hängt dies und die Tatsache, dass Verletzungen bei Unfällen an dieser Kreuzung häufiger schwer ausfallen, mit der hohen gefahrenen Durchschnittsgeschwindigkeit zusammen.
ÖPNV ist in Form von Busverkehr auf der Ost-West-Achse vertreten.
Im Hinblick auf die Radverkehrsführung weist die Kreuzung erhebliche Mängel auf. Aufgrund der Nähe zur ebenfalls hoch unfallträchtigen Nachbarkreuzung Pallaswiesenstraße/ Kasinostraße bietet sie, nicht zuletzt aufgrund der fast gänzlich fehlenden Radwege und unverständlichen Führung, eine der schwierigsten Flächen für das Radfahren in der Stadt. Alleinunfälle und Unfälle mit links fahrenden Radfahrenden zeugen von dem Mangel an einem Angebot an Radwegen, die die Nachfrage bedienen.
Von Westen her führt ein Bordsteinradweg, der nicht deutlich genug vom angrenzenden Gehweg getrennt ist. Schrägparker versperren die Sicht von der Fahrbahn auf den Radweg bis ca. 60 m vor der Querstraße. Das ist in der Regel genug Abstand von der Querstraße. Vor der Querstraße befinden jedoch nicht nur eine Bushaltestelle, sondern auch eine Litfaßsäule, die die Sicht auf die Querstraße (Ausfahrt Firmensitz und Supermarkt) behindert. Der rötlich gepflasterte Radweg führt zu einem hohen Bordstein, die Radverkehrsfurt mit einem abgesenkten Bordstein beginnt jedoch weiter rechts. Eine unverständliche Führung kann zu Unsicherheiten bei Radfahrenden führen. Diese Unsicherheit kann sich auf das Unfallrisiko auswirken. Darmstadt fährt Rad hat auf diesen gravierenden Mangel bereits 2017 im Beitrag DARMSTADTS BESTE SCHLECHTESTE RADWEGE hingewiesen. Gerade auf diesen kritischsten Stellen, wo die Aufmerksamkeit der Radfahrenden auf dem abbiegenden Verkehr liegen sollte und nicht auf den erwähnten Hindernissen, muss bei der Planung besondere Sorgfalt gelegt werden. Der Übergang (die Furtmarkierung) vom westlichen Bordsteinradweg auf ein Angebotsstreifen ist unverständlich, kognitiv überfordernd und riskant. Die duale Führung führt auch hier zu Unsicherheiten und Konflikten mit dem Fußverkehr. Auch der Anschluss an die Nachbarkreuzung 7_Kasinostraße/Pallaswiesenstraße mit den dortigen Fahrbeziehungsmöglichkeiten ist kaum nachvollziehbar, zudem stellt die Ausfahrt der Supermärkte ein hohes Risikopotential dar.
In der Gegenrichtung von Ost nach West sieht es noch schlechter aus. Dort gibt es gar keine Radverkehrsanlage. Der Radverkehr muss hier im Mischverkehr fahren oder alternativ auf einem viel zu schmalen Gehweg, der für den Radverkehr freigegeben ist. Auch hier gibt es kurz vor der Kreuzung eine Bushaltestelle, an der Konflikte mit Wartenden auftreten. Die Kfz-Verkehrsstärken berücksichtigend, ist diese Strecke gemäß ERA nicht für den Mischverkehr vorgesehen. Auch gemäß der jüngsten Qualitätsstandards und Musterlösungen der AGNH wäre an dieser Kreuzung eine bauliche Separierung vorzusehen. An der Kreuzung geschehen überdurchschnittlich viele Unfälle mit rechts abbiegenden Fahrzeugen.
Auf der Seitenstraße Im Tiefen See ist auf Höhe des Gehwegs eine Radverkehrsfurt durch Linien markiert. Gegenüber liegt eine Tankstelle, an dessen Einfahrt ohne Geschwindigkeit senkende Bordsteinausbildung (abgeschrägter Kantenstein anstatt Querabsenkung des Gehwegs) das nächste Unfallrisiko wartet. Auch nach der Querstraße gibt es keine exklusive Radverkehrsführung, nur ein für den Radverkehr nach heutigem Standard regelwidrig freigegebener Gehweg von ca. 2m Breite.[19] In beiden Seitenstraßen gibt es keinerlei Radverkehrsanlage, obwohl auch diese Knotenpunktarme stark durch Kfz-Verkehr belastet sind (Verkehr ins Gewerbegebiet und Betriebs-/Supermarktverkehr). Zum Rechtsabbiegen in die Seitenstraßen gibt es keine Übergangsmarkierung.
Bei der Bewertung erhält die Kreuzung die Note 3,46 (aus den Noten 1-4), das schlechteste Ergebnis.
Empfehlung
Sofortmaßnahmen
- Rotmarkierung aller Radfurten
- Entnahme mindestens eines Fahrstreifens im Ostarm und im Westarm.
- Provisorisches Verlegen der Bushaltestellen zur Entschärfung der Konfliktstellen
- Ostarm: Einrichtung einer Popup-Protected Bikelane auf der Nord- und Südseite. So werden zudem die Konflikte im Seitenraum verringert. Umwandlung des Angebotsstreifens in eine Protected Bikelane. Westarm: Popup-Bikelane auf der Nordseite.
- Aufhebung der Anordnung Gehweg – Rad frei
- Geschwindigkeitshemmende Maßnahme an der Zufahrt zur Tankstelle
- Umsetzen des Sicht- und Fahrhindernisses Litfaßsäule
- Anpassen des unverständlichen roten Pflasterbelags im Westen
- Verständlichere sichtbare und intuitive Führung der Radwege vor und auf der Kreuzung
- Einbeziehung der Kreuzung Kasinostr./Pallaswiesenstr. in das Führungskonzept
- Popup-Schutzinselkreuzung als Verkehrsversuch
- Schließen der östlichen Ausfahrt des Supermarktparkplatzes.
Längerfristige Maßnahmen
- Getrennte Grünphasen zwischen Radverkehr und Rechtsabbiegern.
- Verstetigung der Popup-Bikelane in geschützte Radfahrstreifen
- Einrichtung einer Schutzinselkreuzung, Schaffung von Verkehrsinseln zur Erhöhung der Verständlichkeit der Führung
- Umsetzen der Bushaltestellen an weniger konfliktreichen Stellen, Einrichtung von Haltestellenhinterfahrten
- Zu prüfen: Schaffung von mehr konfliktfreier Fläche durch Einrichtung einer Einbahnstraßenregelung der Straßen Im Tiefen See, Leyendeckerstraße, Alternativ Tempo 30.
- Zu prüfen: Kreisverkehr. Kreisverkehre haben den Vorteil, dass Fahrbeziehungen automatisch entfallen und dadurch in dem Knotenarmen mehr Platz entsteht. Der Kreisverkehr sollte jedoch eine baulich getrennte Radverkehrsanlage haben. Dann misst er mindestens 45 m im Durchmesser.
2-A012 – Kasinostraße/ Bismarckstraße
So viele verschiedene Radführungsformen wie sonst nirgendwo
Auch dieser Knotenpunkte liegt an der Bundesstraße B3. Die querende Bismarckstraße ist ebenfalls stark befahren und besitzt eine Straßenbahntrasse. Die Kreuzung gehört als XL-Kreuzung nicht zu den größten Kreuzungen, der Fahrbahnflächenanteil ist jedoch mit 77% der größte unter den sieben Knotenpunkten.
Am Kreuzungsarm im Westen vor dem Knotenpunkt starb Ende 2017 eine Radfahrerin, die ein LKW-Fahrer beim Rechtsabbiegen überfuhr (die Markierung dieses Unfalls im Unfallatlas wurde fälschlicherweise schräg gegenüber gesetzt). Einige Monate später wurde ein Trixispiegel montiert, um das Tote-Winkel-Risiko zu minimieren. Erst 2019 wurde der Radfahrstreifen in der Bismarckstraße auf der Westseite der Kasinostraße, rot nachgefärbt und eine vorgezogene Haltelinie eingerichtet.[20] In der Heranfahrt wurde dafür gesorgt, dass nicht mehr regelwidrig geparkt wird. Weiterführende Maßnahmen, um die Sicherheit von Radfahrenden zu verbessern, sind bislang nicht umgesetzt worden. Östlich der Kasinostraße sind immer noch Längsparker vorhanden inkl. vorgelagertem Radfahrstreifen und Dooring-Risiko.
Aus Richtung Ost gibt es keine exklusive Radverkehrsanlage. Der Radfahrstreifen wird in der Kreuzungszufahrt aufgelöst, danach gibt es im risikoreichen „dualen System“ Mischverkehr mit einem parallelen, fürs Rad wieder regelwidrig freigegebenen ca. 1,8 m breiten, Gehweg, der regelmäßig zusätzlich durch mangelhaften Grünschnitt der angrenzenden Hecke eingeengt wird. Diese Hecke sorgt auch für Sichteinschränkung beim Rechtsabbiegen durch Radfahrende. Radverkehrs-Konflikte sind dort auf allen Flächen – mit Fußgänger*Innen und Autofahrenden – vorprogrammiert. An der querenden Kasinostraße werden die Gehwege verbunden durch zwei Furten, einer fahrbahnnahen Radverkehrsfurt und einer abgesetzten Fußgängerfurt, obwohl vor der Kreuzung gar kein Radweg vorhanden ist. Die Radverkehrsfurt ist nicht rot eingefärbt. Autofahrende werden erst an der Querung regelrecht überrascht mit einem plötzlich auftretenden möglichen Radverkehr vom Gehweg aus. Gemäß Kolrep-Rometsch (2013) sind für den Radverkehr freigegebene Gehwege eine höchst unfallauffällige Führungsform. Durch die fahrbahnnahe Furt sind Radfahrende zu 100% abhängig vom Spiegelblick/Schulterblick der Autofahrenden. Getrennte Grünphasen gibt es nicht. Zum einen gibt es keine eigene Radverkehrsanlage, zum anderen ist eine gesonderte Rechtsabbiegespur auf der Fahrbahn platztechnisch nicht umsetzbar. Auf der anderen Seite der Querstraße führt die Furt über eine rote Fläche wieder auf den Gehweg, der für den Radverkehr freigegeben ist. Das Fahren auf der Fahrbahn ist erlaubt. Durch die rote Fläche entsteht hier jedoch für Autofahrende das falsche Signal, der Radverkehr hätte auf der Fahrbahn nichts verloren.
In der Kasinostraße führt von Norden ein ca. 2,5 m breiter gemeinsamer Geh- und Radweg in die Kreuzung hinein. Eine Radverkehrsfurt fehlt völlig und das obwohl es in der Heranfahrt einen benutzungspflichtigen Radweg gibt, der Autoverkehr also umso dringender auf die mögliche Querung von Radfahrer*innen aufmerksam gemacht werden muss. Das Fehlen einer Radverkehrsfurt wird durch ein Auflösen der Benutzungspflicht erst unmittelbar vor der querenden Bismarckstraße an der Kreuzungsecke kompensiert. Radfahrende werden im Unklaren gelassen, wo sie sich aufzustellen haben und wie sie möglichst sicher weiterfahren sollen. Im Süden beginnt wieder ein regelwidrig viel zu schmaler Gehweg für den Radverkehr, der jedoch vom nördlichen Bordstein nur schiebend legal erreicht werden kann. Ein Queren der Kreuzung durch Radfahren ist legal nur erlaubt, wenn sich Radfahrende an der Kreuzungsecke auf die Fahrbahn begeben. An der risikoreichsten Stelle der Kreuzung!
Von Süden ist nicht einmal ein Gehweg für das Radfahren freigegeben, d.h. alle Radfahrende, (außer Kinder bis 10 Jahre inkl. Begleitung) werden gezwungen, auf der Fahrbahn zu fahren. Mischverkehrskonzepte sind bemessen an der Verkehrsstärke nach RASt[21], ERA und AGNH für die gesamten Kreuzung Kasinostraße-Bismarckstraße nicht empfohlen. Diese sind jedoch bis auf wenige Ausnahmen vorhanden.
Ebenso ist die hohe Diversität von Führungsformen an Infrastrukturen insbesondere an einer einzigen Kreuzung zu vermeiden. Diese sorgt bei den Nutzern für Unsicherheiten.[22] Die Eckradien sind mit 12-13 m zu groß bemessen. Sie sind nicht in der Lage, Abbiegegeschwindigkeiten effektiv zu mindern. Das hohe Unfallrisiko der Kreuzung ist hausgemacht.
Bei der Bewertung erhält die Kreuzung die Note 3,40 (aus den Noten 1-4), das zweitschlechteste Ergebnis.
Empfehlung
Sofortmaßnahmen
- Rotmarkierung aller Radfurten
- Im Norden und Süden jeweils Reduzierung eines Fahrstreifens je Seite, im Osten Entnahme des Linksabbiegestreifens auf der Nordseite (Alternative Grafenstraße), auf der Südseite Entnahme Längsparker, sodann Anlage von Popup-Bikelanes wo es noch keine Radverkehrsanlage gibt.
- Aufhebung aller Anordnungen gemeinsamer Geh- und Radweg, Gehweg-Rad frei
- Montage von Trennelementen zwischen vorhandenen Radfahrstreifen und Fahrbahn
- Montage von „Popup-Schutzinseln“ zur Einrichtung einer Schutzinselkreuzung als Verkehrsversuch inkl. vorgezogene Haltelinien an allen Kreuzungsarmen.
- Markierung engerer Eckradien.
So einfach kann eine Kreuzung über Nacht zur geschützten Kreuzung werden.
Längerfristige Maßnahmen
- Bauliche Verstetigung der Popup-Bikelanes
- Bauliche Verstetigung der Popup-Schutzinselkreuzung (Damit automatisch im Westarm: Schaffung einer Möglichkeit zum (indirekten) Linksabbiegen für den Radverkehr), inkl. Verkleinerung der Eckradien.
- Konfliktfreie Ampelschaltungen
3-A111 – Heinheimer Straße/ Kranichsteiner Straße
Das höchste individuelle Unfallrisiko für Radfahrende
Diese vergleichsweise kleine Kreuzung mit ca. 3.500 qm ist die Kreuzung mit dem höchsten individuellen Unfallrisiko. Das Risiko beträgt das 9-fache der Kreuzung mit dem geringsten Risiko unter den 7 Knotenpunkten. Das ist überraschend, denn an drei von vier Knotenpunktarmen ist Tempo 30 angeordnet, es lässt sich jedoch unter anderem mit dem hohen Radverkehrsanteil im Begleich zum Kfz-Verkehr erklären. Der Radverkehrsanteil beträgt knapp 60% vom gesamten Verkehrsaufkommen.
Von Süden bis zum Knoten gilt noch Tempo 50. Erst ab der Kreuzung in die Nordrichtungen der Heinheimer Straße und der Kranichsteiner Straße ist Tempo 30 angeordnet. Die von Süd nach Nord abfällige Heinheimer Straße sorgt abschnittsweise für hohe Geschwindigkeiten beim Radverkehr. Der Eckradius in die Kranichsteiner Straße ist klein genug, um abbiegende Autos auszubremsen, die fahrbahnnahe Furt des Radverkehrs sorgt jedoch für eine eingeschränkte lediglich indirekte Sicht auf Radfahrende. In Verbindung mit dem schnellen Radverkehr ist die Beschränkung auf die indirekte Sicht offensichtlich nicht genug, um Radfahrende früh genug wahrzunehmen. Zudem gibt es eine hohe Anzahl von rechtsabbiegenden Kfz inklusive Busverkehr. Eine konfliktfreie Signalisierung gibt es nicht, dafür ein gelbes Blinklicht zur Warnung für abbiegende Kfz-Fahrer:innen. Die Unfälle bestätigen: Mit rechts abbiegenden Fahrzeugen besteht für Radfahrende ein hohes Risiko.
Der westliche Knotenarm der Lauteschlägerstraße ist das Ende einer Tempo-30-Zone. Zwischen geradeaus fahrenden oder links abbiegendem Rad- und aus der Kranichsteiner Straße nach Süden links abbiegenden Kfz-Verkehr (hohe Verkehrsstärke) besteht hier ein erhöhtes Unfallrisiko. Die Verkehrsstärke der links abbiegenden Kfz ist hoch. Eine konfliktfreie Signalisierung gibt es nicht. Von den abbiegenden Fahrzeugkolonnen nehmen die jeweils ersten Fahrzeuge entgegenkommende Radfahrende noch wahr. Nachfolgende Kfz in der Kolonne stellen jedoch ein hohes Unfallrisiko für den Radverkehr dar. Eine hohe Zahl der Unfälle ist auf die Kollission mit links abbiegenden Kfz aus der Kranichsteiner Str. zurückzuführen.
Nach Süden nach Norden geht es bergauf. Die Grünphasen aus der Heinheimer Straße heraus sind eher kurz, die Zahl der rechtsabbiegenden Kfz eher gering.
Die Kranichsteiner Straße im Osten eignet sich trotz ihrer angeordneten Tempo 30 nicht für alle Radfahrenden. Die Durchgangsstraße ist eng, unübersichtlich, es wird trotz Geschwindigkeitsbegrenzung zu schnell gefahren, das Verkehrsaufkommen ist hoch. Für den Radverkehr gibt es keine Radverkehrsanlagen, dafür Parken auf beiden Seiten.
Die Kreuzung erhält eine Gesamtnote von 2,85.
Empfehlung
Sofortmaßnahmen
- Rotmarkierung aller Radfurten
- Änderung der Radfurtmarkierung von Süden bei Nutzung der bestehenden Verkehrsinseln zur Erhöhung der Absetzung der Furt, damit verbesserte Sichtwinkel zwischen Kfz und kreuzenden Radfahrenden
- Eine gelbe Warnleuchte und eine Markierung eines Verkehrszeichens 138 o.ä. vor der Kreuzung und auf der Fahrbahn in der Kreuzungsmitte zur Warnung für Linksabbieger aus der Kranichsteiner Straße.
- Vorziehen der Haltelinie der Kranichsteiner Straße, um die Wahrnehmung von Radfahrenden aus der Lauteschlägerstraße zu verbessern. Bauliche Trennung auf der Mittellinie (ebenfalls zwischen der Rad- und der Fußgängerfurt), um das Schneiden der Kurve beim Linksabbiegen zu verhindern.
- Verbesserung der Markierung der Linksabbiegespur aus der Kranichsteiner Str., um das Schneiden der Kurve zu verhindern.
Längerfristige Maßnahmen
- Bauliche Änderung zur Erhöhung der Absetzung der Radfurt von Süden
- Getrennte konfliktfreie Ampelphasen von Süd für geradeaus fahrende Radfahrer:innen und rechts abbiegende Kfz
- Getrennte Ampelphasen für links abbiegende Kfz aus der Kranichsteiner Straße und aus der Lauteschlägerstraße kommende Verkehrsteilnehmer.
- Änderung der Position der Mittelinsel zwischen die Kfz-Fahrstreifen, um die Abbiegegeschwindigkeit aus der Kranichsteiner Str. zu minimieren.
4-A002 – Rheinstraße/ Berliner Allee/ Göbelstraße
Sooo viele Autos!
Mit 25 (!) Fahrstreifen für den Kfz-Verkehr ist diese Kreuzung der größte untersuchte Kreuzungspunkt. Der Knoten ist das westliche Eingangstor nach Darmstadt. Entsprechend hoch ist auch die Verkehrsstärke, die mit knapp 50.000 Kraftfahrzeugen pro Tag an diesem Knotenpunkt so hoch wie an keinem anderen der sieben untersuchten ist. Der Radverkehr ist ebenfalls stark vertreten. Insgesamt nutzen täglich über 60.000 Fahrzeuge die Kreuzung. Damit ist, trotz der 12 Unfälle, das Unfallrisiko an dieser Kreuzung das Geringste unter den 7 Kreuzungen. Als einzige der untersuchten Knoten hat diese Kreuzung einen fünften Arm. Dieser führt zum Bahnhof, deklariert als Fußgängerzone, ist jedoch in Realität eine für Fußgänger nicht benutzbare stark befahrene Trasse für den ÖPNV. Ebenfalls im Ost-, West- und Südarm verkehren Straßenbahnen und Busse.
Für den Radverkehr ist der Knotenpunkt eher unattraktiv, obwohl er teilweise vernünftige Radverkehrsanlagen besitzt. Zu den größten Mängeln gehört jedoch die Varianz an Radverkehrsanlagen. Das Vorhandensein von freien Rechtsabbiegern für den Kfz-Verkehr und viel zu große Abbiegeradien begünstigen schnelle Abbiegegeschwindigkeiten. Das Fehlen von funktionierenden verständlichen Aufstellflächen und Restflächen im Seitenraum sorgen für ein hohes Konfliktpotential mit dem Rad- und Fußverkehr. Unzulänglich getrennte Grünphasen der Lichtzeichen des geradeausfahrenden Radverkehrs mit rechts abbiegenden Kfz sorgen für ein großes Unfallrisiko am östlichen Knotenpunktarm.
Die Kreuzung erhält eine Gesamtnote von 2,94.
Empfehlung
Sofortmaßnahmen
- Rotmarkierung aller Radfurten
- Reduzieren eines Fahrstreifens in der östlichen Heranfahrt, Einrichtung einer Popup-Bikelane
- Sofort-Sperrung des Rechtsabbiegefahrstreifens im Ostarm (indirekte Fahrt in Goebelstr. über Südarm möglich)
- Sofort-Verbesserungen der Fuß- und Radfurt im westlichen Knotenarm
- Fahrbahnschwellen an den freien Rechtsabbiegestreifen im Westen und Süden
Längerfristige Maßnahmen
- Verstetigung der Popup-Bikelane im östlichen Arm
- Trennung der Signalisierung des geradeaus fahrenden Radverkehrs und des rechtsabbiegenden Kfz-Verkehrs im östlichen Knotenarm
- Bauliche Verbesserung/Verkürzung der Furt im westlichen Knotenarm durch weitere Mittelinsel
- Erweiterung Radweg im Ostarm auf Südseite, Trennung Fuß- und Radverkehr
- Rückbau der freien Rechtsabbiegestreifen im Westen und Süden
5-A004 – Rheinstraße/ Neckarstraße
Eine Kreuzung (fast) so groß wie ein Lilien[24]-Fußballfeld
Mit über 6.100 m² Gesamtfläche[25] ist die Kreuzung der Rhein- mit der Neckarstraße, flächenmäßig die größte Kreuzung, jedoch besitzt die Kreuzung im Vergleich mit dem Knoten 4_Rheinstraße/ Berliner Allee an allen Knotenpunktarmen „nur“ 21 Fahrstreifen für den Kfz-Verkehr. Die Gesamtgröße in Verbindung mit der Vielzahl von Kfz-Fahrstreifen, Straßenbahntrassen in drei Knotenarmen, Dreiecksinseln und dem Fehlen von baulich separierten Radverkehrsanlagen in den meisten Armen machen diesen Knotenpunkt zu einem der fahrraduntauglichsten in Darmstadt. Und das obwohl er für das Radverkehrsnetz essentiell ist. Diese Unfallkreuzung wurde mit den größten Eckradien aller untersuchten Knotenarme ausgestattet. Mit fast 37 m Eckradius innerstädtisch (!) (Durchschnitt aller Knotenarme) ist aufgrund viel zu hoher Abbiegegeschwindigkeiten eine Vision Zero kategorisch ausgeschlossen. Wird dies baulich nicht geändert, wird auch ein angeordnetes geringeres Tempolimit wenig daran ändern. Schnell gefahren wird dort, wo es möglich ist.
Mit fast 37 m Eckradius innerstädtisch (!) (Durchschnitt aller Knotenarme) ist aufgrund viel zu hoher Abbiegegeschwindigkeiten eine Vision Zero kategorisch ausgeschlossen.
An dieser Kreuzung ist Anfang 2019 im Zuge des Umbaus der mittleren Rheinstraße (Südseite des Ostarms) zu einer Protected Bikelane am westlichen Arm die Asphaltdecke und dabei die Fahrsteifenmarkierung erneuert worden (siehe Infobox). In diesem Zusammenhang ist die Fahrradweiche etwas erweitert worden. Dieser Umbau hat leider kaum etwas verbessert für die Tauglichkeit und die Sicherheit des Radverkehrs. Ein hoher Anteil von Radfahrenden fährt nach wie vor auf dem Gehweg im engen Seitenraum unter den Arkaden und nutzt die Fußgängerfurt oder kürzt über den Gehweg ab, um nach Süden zu fahren.
In 2021 wurde im Zuge eines Verkehrsversuchs auf dem südlichen Knotenarm der Neckarstraße mithilfe von Elementen der Baustelleneinrichtung eine Protected Bikelane[26] angelegt, die jedoch vor dem eigentlichen Knotenarm aufgelöst wird. Radfahrende, die nicht im Mischverkehr fahren wollen, können auf den freigegebenen Gehweg ausweichen, erzeugen dort aber Konflikte mit dem Fußverkehr.
Auf dem Nordarm der Neckarstraße ist das Fahren im Seitenraum gänzlich untersagt. Durch die hohe Verkehrstärke auf den Fahrbahnen, ist die Nutzungsrate des Seitenraums hoch und damit Konflikte mit Fußgänger:innen vorprogrammiert. Die Furt über die Rheinstraße, ist jedoch eine reine Fußgängerfurt. Die Furt an der Straßenbahnhaltestelle ist ausgestattet mit einem (vor allem von der HEAG mobilo häufig umgesetzten) Standarddesign für den barrierefreien Fußverkehr, einer schwellenlosen Vollabsenkung auf einer Rampe von lediglich 90cm Breite und einem Bordstein auf der restlichen Breite der ca. 4m breiten Fußgängerfurt. Hier wird ein Großteil der Radfahrenden rechtlich wie gestalterisch ausgeschlossen. Vor allem für Kinder mit ihren Eltern, diese Stelle nach Rechtslage nutzen dürften, ist dieser Überweg baulich nicht „barrierefrei“.
Die Kreuzung ist für die Leistungsfähigkeit des Kfz-Verkehrs – für eine autogerechte Stadt der 70er Jahre gemacht. Der Fuß- und Radverkehr ist an dieser Kreuzung im jetzigen Zustand überhaupt nicht vorgesehen. Der Knotenpunkt bedarf einer grundlegenden städtebaulich wie verkehrstechnischer Bearbeitung. Eine Schutzinselkreuzung würde viele vorhandene Probleme lösen. In dem Beitrag PIMP DEIN RADWEG N°5 hat Darmstadt fährt Rad dazu einen Vorschlag gemacht:
Die Kreuzung erhält eine Gesamtnote von 3,33.
Empfehlung
Sofortmaßnahmen
- Rotmarkierung aller Radfurten
- Reduzierung eines Fahrstreifens im Südarm, Verlängerung der Popup-Bikelane
- Reduzierung von zwei Fahrstreifens im Nordarm, Einrichtung von Popup-Bikelanes auf beiden Seiten
- Rechtsabbiegeverbot von Westen, (Rechtsabbiegen an Kreuzung mit Hindenburgstraße möglich)
- Fahrbahnschwellen am freien Rechtsabbiegestreifen im Norden
- Fahrradstraßen im Ostarm (Nordseite)
- Einrichtung einer Popup-Schutzinselkreuzung
Längerfristige Maßnahmen:
- Bauliche Verstetigung der Popup-Bikelanes
- Herstellen einer sicheren Radverkehrsanlage von Nord nach Süd
- Rückbau des freien Rechtsabbiegers im Norden
- Konfliktfreie Schaltung der Fußgängerfurt von Nord nach Süd (Westseite) und links abbiegenden Kfz von Süd
- Rückbau der freien Rechtsabbiegestreifen, Kreuzung kompakter gestalten
- Umbau der Kreuzung zu einer Schutzinselkreuzung
6-A033 – Dieburger Straße/ Pützerstraße/ Alexanderstraße/ Heinheimer Straße
Kein Radweg drin, obwohl Radweg drauf steht
Diese Kreuzung ist eine der kleineren untersuchten Unfallkreuzungen. Jedoch weist sie eine hohe Kfz- wie Rad-Verkehrsstärke auf. Der Radverkehr wird weitgehend baulich getrennt geführt. Jedoch ist die bauliche Trennung durch die Einführung einer dualen Führung in den letzten Jahren aufgeweicht worden. Das Radfahren ist seitdem nicht nur auf den Radwegen, sondern auch auf der Fahrbahn möglich. Das betrifft jedoch nicht alle Radwegeführungen. Auffällig ist die anteilig hohe Zahl der Rechtsabbiegeunfälle bei gleichzeitig fahrbahnnaher Führung der Radwege. Wahrscheinlich aufgrund der durchschnittlich niedrigen gefahrenen Geschwindigkeit an der Kreuzung handelt es sich tendenziell um Unfälle mit leichtem Personenschaden.
Im südlichen Knotenarm wurde die Benutzungspflicht aufgehoben und eine duale Führung eingeführt. Der alte (nicht regelkonforme viel zu schmale) Radweg wurde neu asphaltiert. Er verläuft durch eine Baumreihe getrennt vom Gehweg. Daher gibt es keine Konflikte mit dem Fußverkehr und Radfahrende sind sowohl auf dem Radweg wie auf der Fahrbahn sichtbar.
In der westlichen Zufahrt wurden alte Radweg zu einem für das Rad freigegebenen Gehweg umdeklariert. Aufgrund der Gestaltung durch rotes Pflaster ist der alte Radweg jedoch optisch für die Nutzer immer noch eindeutig ein Radweg. Die Fläche liegt versteckt hinter einer Reihe von Längsparkständen und Vegetation.
Auch im Nordarm ist der rote Radweg der Heranfahrt ebenfalls nicht benutzungspflichtig. (Ein Verkehrszeichen Gehweg-Rad ist für diese Strecke nicht angeordnet.) Der Weg wird ebenfalls kaum sichtbar hinter einer Busch- und Baumreihe geführt.
Radfahrende müssen sowohl auf benutzungspflichtigen, als auch auf nicht benutzungspflichtigen Radwegen sichtbar und sicher geführt werden. Die Benutzungspflicht ist dabei völlig unerheblich. Zudem erzeugt dieses Vorgehen Konflikte und Unsicherheiten im Seitenraum. Bei der Änderung wurde unter Berücksichtigung der Aspekte Kfz- und Radverkehrsaufkommen, die sicherheitstechnischen Belange und die Bedürfnisse und das Verhalten von Radfahrenden nicht zu Ende gedacht.
Dazu kommt, dass, aufgrund des hohen Kfz-Anteils Radfahrende diese Strecken im Seitenraum der Fahrbahn vorziehen. Nicht zuletzt, weil sie dort unabhängiger vom Kfz-Verkehr sind.
Von Norden ist der Anteil rechts abbiegender Kfz hoch. Es gibt zwar einen getrennten Rechtsabbiegestreifen, jedoch keine getrennte Rechtsabbiegersignalisierung. Die Grünphase der Fahrbahn beträgt das Vierfache (!) der Grünphase der gemeinsamen Fuß-/Radverkehrssignalisierung. Eine solche extreme Ungleichbehandlung führt zu vermehrten Rotlichtverstößen bei Radfahrenden und damit zu einem erhöhten Unfallrisiko[27]. Die ERA schreibt dazu: „Die Ansprüche des Radverkehrs an eine sichere und attraktive signaltechnische Einbindung dürfen gegenüber den Anforderungen des Kraftfahrzeugverkehrs nicht vernachlässigt werden.“[28]
Die Kreuzung erhält eine Gesamtnote von 2,70, die beste Note unter den 10 gefährlichsten Knotenpunkten.
Empfehlung
Sofortmaßnahmen
- Rotmarkierung aller Radfurten
- Entfernen der Sichthindernisse der niedrigen Vegetation (Büsche) im nördlichen und westlichen Knotenarm und der Parkstände im Westen.
- Verlängerung der Freigabezeiten für den Fuß- und Radverkehr im Norden
Längerfristige Maßnahmen
- Getrennte Ampelphasen an jedem Knotenarm. Grünzeiten für den Radverkehr optimieren.
- Gemeinsame Führungen mit dem Fußverkehr sind zurückzubauen. Die Flächen sind eindeutig verständlich anzulegen. Rote Flächen bedeuten für die Nutzer „Radwege“.
- Umbau zur Schutzinselkreuzung
- Tempo 30
7-A010 – Kasinostraße/ Pallaswiesenstraße
Umwege für Fuß- und Rad
Diese Kreuzung ist ein weiteres Beispiel aus dem Absurdistan der autogerechten Städte der 70er Jahre. Obwohl die Kreuzung „nur“ 19 Fahrstreifen in der Summe hat, ist sie eine XXL-Kreuzung, an der der Fuß- und Radverkehr nur eine nachrangige Rolle spielen darf und wenn dann auf regelwidrigen Radwegen ohne Beachtung der wichtigsten Grundlagen der Verkehrssicherheit.
Der östliche Knotenarm ist eine Tempo 30 Zone, ein Übergang aus dieser Zone auf die Wegebeziehungen der Kreuzung gibt es nicht. Die Zufahrt von Westen in den Ostarm ist nur dem Busverkehr gestattet. Dennoch wird diese Anordnung von Kfz-Fahrenden regelmäßig illegal gebrochen, Regelbrüche die seit Jahrzehnten informell geduldet werden. Wahrscheinlich mit ein Grund für das hohe Unfallrisiko der Kreuzung. Im nördlichen Knotenarm gibt es nicht einmal eine Fußgängerfurt über die Fahrbahn. Zu Fuß muss man die Kreuzung mitunter dreimal queren, um zum Ziel zu gelangen. Dies erzeugt unnötigerweise weitere Konfliktpunkte.
Der Radverkehr wird im Zuge der Kasinostraße von Nord und Süd weit vor der Kreuzung auf baulich leicht abgesetzten benutzungspflichtigen Radwegen geführt, die regelwidrig zu schmal teilweise mit dem Fußverkehr geführt und durch Vegetation verdeckt geführt werden. Kurz vor der Kreuzung selbst wird nah an die Fahrbahn geführt. Die Signalisierung des Radverkehrs und des nach rechts abbiegenden Kfz-Verkehr ist nicht zeitlich getrennt, lediglich im Nordarm gibt es ein paar Sekunden Vorlaufgrün für den Radverkehr, die jedoch durch eine Extrazeit für rechts abbiegende Kfz kompensiert werden. Eine abgesetzte Führung in der Straße vor der Kreuzung mit einer durch Sichthindernisse verdeckten Sicht, in Verbindung mit einer viel zu kurzen Heranschwenkung des Radwegs an die Fahrbahn vor der Konfliktzone sorgt dafür, dass Radfahrende von Kfz-Führenden zunächst gar nicht und wenn, dann zu spät nur indirekt über Spiegel oder einen guten Schulterblick gesehen werden.
Die Kreuzung erhält eine Gesamtnote von 3,35.
Empfehlung
Sofortmaßnahmen
- Rotmarkierung aller Radfurten
- Ergänzung von Geschwindigkeit senkenden Maßnahmen am freien Rechtsabbieger am westlichen Knotenarm.
- Entfernen der Sichthindernisse der hohen Büsche in den Heranfahrten im Süden und Norden der Kreuzung.
- Reduzieren der Fahrstreifen im Westen. Herstellen einer Protected Bikelane auf der Nord- und Südseite des Westarms. Anbindung an die Kreuzung 1.
Längerfristige Maßnahmen
- Getrennte Grünphasen im Norden und Süden
- Reduktion von jeweils einem Fahrstreifen im nördlichen und südlichen Knotenpunktarm.
- Herstellen von geschützten Radfahrstreifen
- Umbau zur Schutzinselkreuzung
8-A013 – Heidelberger Straße/Eschollbrücker Straße/Heinrichstraße
9-A041 – Haardtring/Eschollbrücker Straße
10-A065 – Frankfurter Landstraße/Untere Mühlstraße
Unter den 10 unfallreichsten Kreuzungen ist diese arheilger Kreuzung die Kleinste mit dem geringsten Verkehrsaufkommen. Wenn die Verkehrszahlen von nur ca. 3.500 Kfz pro Tag stimmen, dann hat der Knotenpunkt mit 8 Unfällen damit die schlechteste Unfallrate. Der Knoten ist damit fünf Mal risikoreicher als die Kreuzung 1 Pallaswiesenstraße/Im tiefen See und 30 Mal gefährlicher als die Nr. 5 Rhein-/Neckarstraße.
Vergleichskreuzungen
Zum Vergleich mit den gefährlichsten Unfallkreuzungen, werden zwei Darmstädter Kreuzungen analysiert, die in Bezug auf Radverkehrsunfälle nicht auffällig sind.
Beides sind Kreuzungen mit hohen Verkehrsstärken. An beiden Knoten wird der Radverkehr vor den Kreuzungen im Seitenraum geführt. Die Radfurten sind weit abgesetzt. Die Kreuzungen ähneln vom Prinzip her einer Schutzinselkreuzung nach niederländischem Vorbild.
11 A020 – Karlsruher Straße/Rüdesheimer Straße/Donnersbergring
Auch diese Kreuzung ist eine XXL – Kreuzung mit knapp 4.200qm. Der Radverkehrsanteil ist unterdurchschnittlich, liegt jedoch deutlich über dem der Kreuzung 1_Pallaswiesenstraße/Im Tiefen See. Die Kfz-Verkehrsstärke ist überdurchschnittlich hoch, am südlichen Knotenarm endet der autobahnähnliche Ausbau der B3 (Karlsruher Straße). Es gibt einen hohen Anteil an links- und rechtsabbiegenden Kfz-Verkehr. Dennoch hat sich an dieser Kreuzung in den 5 Jahren kein einziger Radunfall ereignet. Vom Prinzip her ist diese Kreuzung eine Schutzinselkreuzung. Sie besitzt sogar Schutzinseln in Form von linsenförmigen Grünflächen an den Kreuzungsecken. Dadurch entstehen abgesetzte Furten mit kleinen Aufstellflächen. Obwohl unfalltechnisch nicht auffällig, weist diese Kreuzung einige Mängel auf und kann noch deutlich verbessert werden.
Die Radwege in der Heranfahrt sind viel zu schmal und durch die Gefahr des Dooring[29] risikoreich. An den Kreuzungen sind die Radwege und Radfurten nicht farbig markiert. Die sind unauffällig im grauen Farbton wie die Gehwege angelegt. Die Furten werden gemeinsam mit den Gehwegen geführt. Die Aufstellflächen sind viel zu klein, nicht funktional und begünstigen Behinderungen. Die Grünzeiten der Signalisierung sind nicht konfliktfrei geschaltet. Die Grünzeiten des Radverkehrs betragen nur 1/10 (!) bis ⅓ der Grünzeiten des Autoverkehrs. Ein Sicherheitsrisiko. Aufgrund des hohen Kfz-Anteils ist der Anteil der Rotlichtverstöße unter Radfahrenden wahrscheinlich dennoch gering.
Das Queren der Fahrbahnen über fünf Fahrstreifen ohne Mittelinseln ist für Fuß und Rad nicht zumutbar.
Trotz der guten Unfallstatistik ist die Kreuzung in erster Linie für die Leistungsfähigkeit des Autos gemacht.
12-A147 – Carl-Schenck-Ring/Otto-Röhm-Straße
Diesen Knotenpunkt im Industriegebiet nutzen nur die Hälfte der Radfahrenden im Vergleich zur Kreuzung 11_Rüdesheimer Straße/Karlsruher Straße/Donnersbergring. Die Kreuzung gleicht ebenfalls dem Schema einer Schutzinselkreuzung, jedoch fehlen die typischen Schutzinseln, als Schutz- und Führungselemente. Obwohl im Süden ein Zweirichtungsradweg verläuft, ereignete sich zwischen 2016 und 2020 nur ein Unfall mit Radverkehrsbeteiligung. Auch hier wird der Radverkehr mit dem Fußverkehr über gemeinsame Furten geführt. An einigen Armen gibt es ein vorbildliches deutliches Vorlaufgrün für den Fuß-/Radverkehr.
13-A036 – Landgraf-Georg-Straße/Teichhausstraße/Pützerstraße
FAZIT
Alle Unfälle sind an Kreuzungen geschehen, die schwerwiegende Sicherheitsdefizite aufweisen, die teilweise schon seit Jahren von der Verkehrsforschung angemahnt werden, und die in Teilen aber auch nicht ERA konform sind. Gerade an den untersuchten Knotenpunkten werden die Grundanforderungen der ERA an „subjektive” und „objektive“ Sicherheit meist nicht eingehalten: „Wahl von Führungsformen guter Begreifbarkeit, … Gewährleistung guter Sichtverhältnisse, …Infrastruktur mit geringer Abhängigkeit vom Verhalten anderer“.
An alleine 21 Kreuzungen (von 114) ereignen sich über die Hälfte aller Radunfälle. Diese Knotenpunkte sollten unabhängig von der Definition zu Unfallhäufungspunkten des Landes Hessen von der Unfallkommission in der gleichen Dringlichkeit wie Unfallhäufungspunkte behandelt werden. Diese Knotenpunkte bedürfen einem erhöhten Engagement bei den Maßnahmen zur Verbesserung Verkehrssicherheit als bisher. Maßnahmen zur Verbesserungen der Verkehrssicherheit dürfen sich nicht auf Markierungslösungen beschränken.
Schlechte Beispiele aus der Analyse sind unübersichtliche, überdimensionierte Kreuzungen und unverständliche unerkennbare Übergänge. Sichthindernisse sind vorwiegend in Form von Werbeelementen und Vegetation vorhanden, aber unter anderem auch durch ruhenden Verkehr. Festgestellte Sicht- und Fahrhindernisse müssen umgehend entfernt werden. Dazu gehören auch Werbeelemente wie Litfaßsäulen. Sichthindernisse vor kritischen Zonen in Form von Vegetationen auf Grünflächen, die die Kniehöhe überragen, sind durch niedrige Pflanzungen zu ersetzen. Eine verbesserte Koordination zwischen Straßenverkehrsbehörde mit dem Grünflächenamt mit klaren Vorgaben und in Verbindung mit einem stadtweiten Sicherheitsaudit ist dringend nötig.
Können Sichthindernisse nicht beseitigt werden, ist die Abbiegemöglichkeit für den Kfz-Verkehr einzuschränken. Dies kann durch Abbiegeverbote oder durch eine konfliktfreie Signalisierung erfolgen (getrennte Grünphasen geradeaus zwischen fahrendem Radverkehr und rechts abbiegenden Kfz). Ist kein Rechtsabbiegerstreifen vorhanden, ist der kombinierte Geradeaus-/Rechtsabbiege-Streifen konfliktfrei vom Radverkehr zu schalten.
Zudem ist auffällig, dass die Unfälle nur an Kreuzungen geschehen sind, die gar keine, keine regelkonforme oder eine geringe abgesetzte Radfurt haben. Zwei sehr große Kreuzungen sind fast gar nicht unfallträchtig. Sie entsprechen vom Prinzip her Schutzinselkreuzungen. Als einzige Darmstädter Kreuzungen. (Karlsruher Str./Rüdesheimer Str./Donnersbergring: 0 Unfälle; Carl-Schenk-Ring/Otto-Röhm-Str.: 1 Unfall in 5 Jahren). Unter den anderen Kreuzungen mit einem oder keinem Unfall befinden sich (mit Ausnahmen) sonst eher sehr kleine Kreuzungen.
In der Infobox wurde die Hauptachse West-Ost erwähnt. Östlich vom Luisenplatz im Anschluss an die vor Kurzem erneuerte Protected Bikelane an der „Gastromeile“ liegt die Kreuzung der Landgraf-Georg-Straße mit der Teichhausstraße/Pützerstraße in unmittelbarer Nähe des Jugendstilbads. Diese Kreuzung wird innerhalb eines Modellprojektes, gefördert vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMDV, vormals BMVI), in Kürze in eine Schutzinselkreuzung nach niederländischem Vorbild umgebaut. Das ist der beste Weg zu einem wirklichen Lückenschluss.
Diese Analyse zeigt, dass es dringend notwendig ist, parallel auch andere risikoreiche und fahrraduntaugliche Kreuzungen zu überarbeiten. Es spricht nichts dagegen, dies ebenso wie der Verkehrsversuch im Stil der Schutzinselkreuzungen nach niederländischem Vorbild zu tun.
Eine echte Vision Zero wird in erster Linie durch einen Umstieg vom motorisierten Individualverkehr (MIV) auf den Umweltverbund erreicht. Daher ist grundsätzlich ein Minimieren der Flächen für das Automobil und eine Neuplanung des Straßenverkehrsnetzes auf Grundlage der Verkehrswende anzustreben. Ein Straßennetz, das vorwiegend für nachhaltigere Verkehrsmittel geplant wird, wird auch an Kreuzungen Platz schaffen für sichere Bedingungen für den Radverkehr.
Seit Jahrzehnten hält sich in Deutschland das Gerücht, abgesetzte Radwege per se an Knotenpunkten würden das Unfallrisiko erhöhen. Die Ergebnisse dieser Analyse machen deutlich: Das ist mitnichten der Grund, dass Radwege vor Kreuzungen in den letzten Jahren zurückgebaut wurden. Es ist die Konkurrenz um wertvolle Flächen die bislang für die Leistungsfähigkeit des Autoverkehrs genutzt wurden. Es ist die Einschränkung der Freiheiten des Autoverkehrs, auf allen Straßen und in alle Richtungen zu fahren, die durch baulich gut gemachte Radverkehrsanlagen bedroht gesehen wird. Die Schwerpunktsetzung des großen Feldes „Verkehrs“-forschung auf den Teilbereich „Unfall“-forschung hat dazu geführt, dass Radverkehrsinfrastruktur auch nur einseitig gedacht wurde.[30] Insbesondere die Tauglichkeit von Kreuzungen für Menschen auf Fahrrädern hat bislang darunter immens gelitten. Auf Kosten der Verkehrswende und des Klimas.
Ohne einen vorrangigen Umbau der Kreuzungen wird es nicht gelingen, die städtische Mobilität nachhaltig auf den Radverkehr auszurichten.
Ohne einen vorrangigen Umbau der Kreuzungen wird es nicht gelingen, die städtische Mobilität nachhaltig auf den Radverkehr auszurichten. Es sind nun endlich die Kreuzungen anzupacken, sodass durchgängig radverkehrsfreundliche Radverkehrsnetze entstehen, die sich nach den Bedürfnissen von Radfahrern richten und ihnen ein sicheres und komfortables Fortbewegen ermöglichen.
zu Teil 3.1 – Ergebnisse, Analyse der Ergebnisse
[1] Schwendy (Kress) et al. (2019), Darmstadt fährt Rad, Radentscheid Darmstadt
[2] Der Unfallatlas differenziert hier nicht.
[3] Vision Zero: Keine Unfälle mit Todesfolge oder schweren Personenschäden. Seit 2021 in §1 der VwV-StVO als „Grundlage aller verkehrlichen Maßnahmen” verankert
[4] Kolrep-Rometsch (2013) für UDV
[5] CROW (2016); Musterlösungen der AGNH (2021)
[6] Siehe auch ERA 2010, Tabelle 4, FGSV
[7] Siehe auch ERA 2010, Tabelle 4, FGSV
[8] Kolrep-Rometsch (2013)
[9] ERA (2010) Kapitel 11.1.1 ff
[10] Urban Emotions: EmoCyclingConcept – Potenziale der emotionalen Stadtkartierung https://gispoint.de/fileadmin/user_upload/paper_gis_open/AGIT_2016/537622040.pdf
[11] Verkehrslagebild für den Bereich der Stadt Darmstadt (2000), Polizei Südhessen
[12] Freie/freilaufende Rechtsabbieger/Rechtsabbiegestreifen: Aus der Signalisierung herausgenommene Rechtsabbiegestreifen, meist mit einer typischen Dreiecksinsel für Fuß und Rad. Laut Unfallforschung (UDV fb21; Kolrep-Rometsch 2013) sind freie Rechtsabbieger mit hohen Sicherheitsrisiken verbunden. Sie sind zudem stark Komfort einschränkend für den Fuß- und Radverkehr. Die Standorte der freien Rechtsabbieger sind ebenfalls in der Karte zur Analyse eingetragen. Link siehe ERGEBNISSE. In der Analyse sind lediglich die nicht signalisierten freien Rechtsabbieger berücksichtigt.
[13] Polizeipräsidium Darmstadt; Bisherige Erfahrungen mit farbig angelegten Radfahrstreifen (1989)
[14] Bedingte Verträglichkeit: Hingenommene nicht konfliktfreie Signalisierung bestimmter Verkehrsströme (z.B. Fußverkehr vs. rechts-/linksabbiegende Kfz)
[15] Schnüll (1992); Kolrep-Rometsch (2013)
[16] Schnüll (1992)
[17] StVO-VwV Zu den §§ 39 bis 43 Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen Randnummer 5
[18] Unfallrate: Unfallrisiko in Bezug auf die Verkehrsstärke Rad- und Kfz-Verkehr. Rechenformel s. Anhang 2 – Tabelle 1
[19] nach ERA sind Gehwege, die fürs Rad freigegeben werden mindestens 2,5m breit.
[20] Kreß, Julian: Zukunftsgerechte Infrastruktur für den Radverkehr an Knotenpunkten in der Wissenschaftsstadt Darmstadt. Hochschule Darmstadt, 2019
[21] RASt (2006), FGSV, Kapitel 5.1.2 Mischverkehr bis 400 Kfz/h. Der Gehweg darf nur freigegeben werden, wenn dies unter der Berücksichtigung der Bevorrechtigung des Fußverkehrs vertretbar ist. Das ist an den freigegebenen Gehwegen nicht der Fall.
[22] ERA (2010): “Ähnliche Knotenpunkte sollen innerhalb einer Stadt oder eines Straßenzuges nach Möglichkeit eine einheitliche Radverkehrsführung und Signalisierung aufweisen.”
[23] Kreß, Julian (2019)
[24] Fußballverein Darmstadt 98
[25] In 50m Radius
[26] Geschützter Radfahrstreifen
[27] Schnüll (1992)
[28] ERA (2010), Kapitel 4.4.1
[29] Dooring: Unfallgefahr für Radfahrende durch aufschlagende Türen von parkenden Autos.
[30] Schwedes (2021), Sicherheit ist Ansichtssache: “Unfallanalysen können nur an Infrastrukturvarianten durchgeführt werden, die bereits existieren. Wenn allerdings nur bestehende Infrastrukturvarianten verglichen und gegeneinandergestellt werden, gibt es keine Möglichkeit, neue Designs zu erstellen, die bestenfalls sicher und radverkehrsfördernd sind.”