Kreuzungsdesign Deluxe – Teil 3 Funktion

Die Gestaltung von Knotenpunkten im Straßenverkehr im Vergleich, Niederlande – Deutschland

Teil 3 – Funktion – Radverkehrsführungen an Kreuzungen im Detail

Teil 1 – Einleitung
Teil 2 – Designelemente
Teil 4 – Fallbeispiele
Teil 5 – Umbau einer deutschen Kreuzung
Teil 6 – Umbau einer großen deutschen Kreuzung

Teil 2 – hat die Schutzeinrichtungen für Radfahrende an niederländischen und deutschen Kreuzungen vorgestellt. Dieser Teil wird beleuchten, wie Radfahrer in Deutschland und wie sie in den Niederlanden über eine größere ampelgeschaltete Kreuzung hinweg geführt werden.

In Deutschland gibt es vor den Kreuzungen verschiedene Design-Elemente für den Radverkehr. Auf der Kreuzung selber jedoch werden die Radverkehrsspuren lediglich mit weißen Strichlinien (selten in Rot[i]) sogenannten Furten markiert. Die Anlagen sind unauffällig und verraten nichts über Vorfahrtsregelungen. In den Niederlanden ist an der Infrastruktur auch im Kreuzungsbereich ganz klar ablesbar, wo Radfahrern Vorfahrt zu gewähren ist. In den Niederlanden erreicht der Radfahrer die Kreuzung auf dem baulich getrennten Radweg. Selbst wenn der Radverkehr auf der Strecke als Radfahrstreifen geführt wird, wird er vor der Kreuzung immer in den Seitenraum geführt. In den Niederlanden hat ein Radfahrer zwischen den Kfz-Spuren nichts zu suchen. Das ist eine Konsequenz daraus, dass es objektiv zu gefährlich ist, zu tödlichen Unfällen führen kann, und dass es unter Radfahrenden negativen Streß erzeugt, der viele vom Radfahren abhält.

 

1.GERADEAUS FAHREN

So einfach Geradeausfahren klingt, es ist kombiniert mit den rechts abbiegenden Kfz die Todesursache Nr.1 unter Radfahrenden und somit die sensibelste aller Führungen über die Kreuzung. Nahezu alle Designelemente der niederländischen Kreuzung unterstützen Radfahrer dabei, die Kreuzung sicher geradeaus zu passieren.

In den Niederlanden

Bei Rot gibt es Aufstellflächen, um den querenden Radverkehr nicht zu behindern. Die weiterführende Radverkehrsfurt wird im Bereich des querenden Verkehrs ein wenig nach rechts verschwenkt und ist bei Vorfahrtsstraßen rot markiert.

Kreuzung NE
Quelle: Bicycle Dutch
Vorteile:
  • Das Verschwenken der Furt sorgt dafür, dass sich die Fahrzeuge senkrechter zu den querenden Radfahrenden aufstellt und minimiert so die Gefahr des Toten Winkels. (s. Grafik Beitragsbild- in Grün zur Ergänzung die deutsche Führung)
  • Die Ereignisse des Abbiegens werden entzerrt, sodass sich die Autofahrer nacheinander auf ein Ereignis konzentrieren können: 1. Abbiegevorgang > 2. Wahrnehmen der querenden Radfahrer.
  • Durch eine sehr weit vorgezogene Haltelinie für Radfahrende sind diese sehr gut sichtbar und haben im besten Fall die Kreuzung bereits geräumt, wenn ein rechtsabbiegendes Kfz eintrifft.
  • Das konsequente Führen im Seitenraum senkt das Kollisionsrisiko und den Streßlevel, dem Radfahrende ausgesetzt sind.
In Deutschland

Da in Deutschland der Radverkehr teils im Fahrbahnraum teils im Seitenraum geführt wird, gibt es unterschiedliche Strategien, den Radverkehr über die Kreuzung zu führen. Radwege werden vor jedoch auch in Darmstadt fast immer spätestens vor der Kreuzung als Radfahrstreifen oder Angebotsstreifen auf die Straße geführt, mit der Begründung, weil sie dort besser gesehen würden (Ausnahme z.B. Rheinstraße/Kasinostraße Richtung Westen). Diese Straßenführung wird dann zur Entzerrung der Verkehrsströme meist über eine selten rot markierte Furt [i] weitergeführt, über die rechtsabbiegende Kfz kreuzen  (Röhnring/Pankratius). Wird der Radverkehr auf der Strecke auf einem Radweg geführt, wird er neben dem Fußverkehr über die Verkehrsinseln geführt (Heidelberger Straße/Eschollbrücker Straße). Das ist jedoch die Ausnahme.

Vorteile:
  • Gute Sichtbarkeit von (lediglich) vorausfahrenden Radfahrern vor der Kreuzung
  • Schnelles direktes Geradeausfahren
Nachteile:
  • Zweifache Gefährdung der Radfahrer beim Queren eines etwaigen freien Rechtsabbiegers des motorisierten Verkehrs. (spitzer Winkel zu Fahrzeugen: Gefahr des Toten Winkels (s. Beitragsbild))
  • Gefühlte Unsicherheit und hoher Streßlevel der Radfahrenden auf den Radfahrfurten zwischen Kfz

 

2.RECHTSABBIEGEN

Rechtsabbiegen kann so einfach sein. Leider nur in den Niederlanden:

In den Niederlanden

In den Niederlanden funktioniert das Rechtsabbiegen frei ohne Beachtung einer Ampelanlage auf baulich getrennten Radwegen. Kreuzungspunkte gibt es nur mit dem Fußverkehr. Unfälle zwischen Fußgängern und Radfahrern sind jedoch selten und in der Regeln nicht so gravierend wie solche mit Kfz.

Vorteile:
  • Reduzierung der Unfallgefahr mit Kfz auf 0

 

In Deutschland

In Deutschland haben Kfz hingegen oft einen sogenannten freien Rechtsabbieger und rechtsabbiegende Radfahrende werden dort gezwungen, diese Spur zu nutzen (s. Plan Kreuzung), deren Radius so groß ist, um ordentlich Gas zu geben. Das Rechtsabbiegen funktioniert standardmäßig im Mischverkehr mit dem motorisierten Verkehr völlig ohne eigene Radverkehrsanlage (Cityring/Alexanderstraße – vor dem Darmstadtium), manchmal sogar über eine Furt erreichbare Aufstellfläche zum Rechtsabbiegen (Donnersbergring/Eschollbrücker). Lediglich bei Führungen im Seitenraum wird der Radverkehr beim Abbiegen durchgängig auf dem Radweg geführt (Pützer/Dieburger).

Nachteile:
  • Unterschiedliche Führungsformen in Verbindung mit fehlender eigener Radfahranlage und fehlender Rotfärbung verringern die Aufmerksamkeit von Autofahrern gegenüber Radfahrern.
  • Gefühlte Unsicherheit durch Nähe zu Kfz, besonders LKW.
Nachteile mit freien Rechtsabbiegern:
  • Der motorisierte Verkehr dominiert durch hohe Geschwindigkeit
  • Höhere Wartezeiten für Fußgänger auf bis zu drei Verkehrsinseln. Gerade ältere Menschen kommen so nicht in einem über die Straße.
  • Hoher Flächenbedarf für den motorisierten Verkehr zu Lasten des Rad- und Fußverkehr (z.B. Heidelberger Straße/Eschollbrücker Straße – vor Sport-Lokales).

 

 

3.LINKSABBIEGEN

Da beim Linksabbiegen sehr viele andere Fahrzeuge gekreuzt werden, wird darauf in den Niederlanden verzichtet indem der Prozess in zweimaliges Geradeausfahren gesplittet wird. Clever eigentlich:

In den Niederlanden

In den Niederlanden wird konsequenterweise immer indirekt links abgebogen, d.h. zweimal nacheinander den Querverkehr kreuzend und eigentlich wird dann nur auf dem baulich getrennten Radweg wirklich nach links gefahren. Oft wird hier auch eine grüne Welle für Radfahrer angeboten. (Noch cleverer ist allerdings die sogenannte Simultangrünkreuzung aus Teil 1), bei der alle Radfahrer gleichzeitig diagonal über die Kreuzung fahren dürfen, während der Kfz-Verkehr still steht. Aber dafür braucht es teure Ampelanlagen)

Vorteile:
  • Einheitliche Führung (indirekt) erhöht Sicherheit und schafft Eindeutigkeit
  • Aufstellflächen für Radfahrer minimieren Behinderung durch querenden Verkehr
Nachteile:
  • Ohne grüne Welle erhöhte Wartezeiten (zweimal auf geradaus-Grün warten)

 

In Deutschland

In Deutschland tut man sich besonders schwer, Strategien zu entwickeln für das Linksabbiegen. Die unterschiedlichen Strategien auf der Strecke (Radweg/Radfahrstreifen,..)  machen das Linksabbiegen für Radfahrer zu einem komplexen Prozess. Meist fehlt daher eine Anlage für den Radverkehr gänzlich (Rheinstraße/Berliner Allee). Es wird direkt über die Spuren des Kfz-Verkehrs nach links abgebogen. Bei dieser Führung wird manchmal eine Aufstellfläche für Radfahrer (sogenannter Aufgeweiteter RadaufstellstreifenARAS) (Teichhausstr/Soderstraße) angeboten, die es den Radfahrenden ermöglich, sich vor den wartenden Kfz zum Linksabbiegen zu positionieren. An besonders stark befahrenen Kreuzungen wird manchmal indirekt geführt, d.h. zwei Mal die Querstraße geradeaus überfahren (Kasinostraße/Frankfurter Straße).

Vorteile:
  • Schnelles direktes Abbiegen möglich (von wenigen Radfahrern bevorzugt)
Nachteile:
  • Unterschiedliche Führung (direkt/indirekt) führt zu Unsicherheiten
  • In Darmstadt keine Kombination von Aufstellflächen mit Vorschaltgrün für Radfahrer.
  • Aufstellflächen funktionieren nur bei Rot
  • Queren des motorisierten Geradausverkehr notwendig
  • Linksabbiegen im Mischverkehr erhöht die Unfallgefahr und erzeugt einen hohen Streßlevel bei Radfahrern.

Die Niederländer bauen seit mehreren Jahrzehnten geniale Kreuzungen, die sicher sind und die so einfach und intuitiv zu befahren sind, dass sie gerne und ohne Angst von Radfahrenden benutzt werden. Nach 40 Jahren endlich werden diese Designkonzepte von anderen Ländern aufgegriffen. Leider noch nicht in Deutschland. Der US-Amerikaner Nick Falbo ist einer derjenigen der erkannt hat, was eine Deluxe Kreuzung ist und er macht anschauliche Filmchen dazu:

++++++UPDATE 29-03-2018+++++++

Als Ergänzung zu dem Prinzip der Protected Junction an einer Kreuzung zweier Straßen unterschiedlicher Hierarchien, sei dieser Film von Bicycle Dutch empfohlen:

zu Teil 1 – Einleitung
zu Teil 2 – Designelemente
zu Teil 4 – Fallbeispiele
zu Teil 5 – Umbau einer deutschen Kreuzung
zu Teil 6 – Umbau einer großen deutschen Kreuzung

[i] Die Stadt Darmstadt lehnt es ab, die Radfurten im Kreuzungsbereich rot einzufärben unabhängig von der Vorfahrtsituation und verweist auf diesen Erlass des Regierungspräsidiums vom 08.03.1991! „Auf keinen Fall darf eine farbige Anlegung der Radfahrstreifen im Bereich der signalgeregelten Knotenpunkte erfolgen. Dort wird die Vorfahrt nach § 37 StVO durch Lichtzeichen geregelt.“ Noch eingefärbte Furten sind Bestandsanlagen und würden nicht wieder aufgefrischt.

22 Kommentare

  1. Das hier ist einer der vernünftigsten Analysen, die ich bisher zu diesem Thema gelesen habe. Endlich orientiert sich mal jemand an denen, die es richtig machen.
    Was hier allerdings völlig außer acht gelassen wird ist, dass 10-20 % der deutschen Straßenkreuzungen das Thema Rad Fahrrad komplett ignoriert. Die Konzepte sind nicht schlecht sondern einfach komplett nicht vorhanden. Der Radfahrer hat sich gefälligst 10 m vor der Abbiegung unsichtbar zu machen, davon zu beamen oder anderweitig zu verschwinden. Wer sich weigert wird platt gefahren. Niederländische Radwege funktionieren vor allen Dingen deshalb, weil sie an durchgängige Konzepte geknüpft sind. Man kann dort hunderte Kilometer störungsfrei mit dem Fahrrad fahren. Eine Ampelanlage, die Fahrradfahrer bevorzugt wäre in Deutschland mindestens Anlass für einen Bild Artikel. Ein durchgängiges Radwegnetz das dafür sorgt dass Parkplätze und Fahrstreifen reduziert werden müssen für zu halben Volksaufständen. Des deutschen heilige Kuh ist nach wie vor das Auto.

    1. @darmstadtfaehrrad sagt: Antworten

      Vielen Dank Eva. Das ist richtig. Die meisten deutschen Kreuzungen bieten 0 Infrastruktur für den Radverkehr. Daher entspricht die im Artikel gezeigte deutsche Musterkreuzung nur im Entfernten der Realität. Aber es ging darum, zu zeigen, dass selbst eine Kreuzung, die einigermaßen ausgestattet ist für Radfahrende, nur bedingt sicher ist und gut funktioniert. Dass der Großteil der Kreuzungen Fahrradfahrer gar nicht berücksichtigt, zeigt umso mehr, wieviel Arbeit wir bei uns noch vor uns haben.

  2. Ich danke euch für diese ausführlichen ‚de Luxe‘ Erklärungen.

    “ weil sie dort besser gesehen würden …
    Vorteile:
    Gute Sichtbarkeit von (lediglich) vorausfahrenden Radfahrern vor der Kreuzung“

    Wegen einer angeblich besseren Sichtbarkeit wird in Deutschland bekanntlich aus Gründen einer „objektiven Sicherheit des Radverkehrs“ der Radverkehr so dicht wie irgend möglich an den motorisierten Verkehr herangeführt.

    Zum Thema Sichtbarkeit gehört jedoch unbedingt die von euch verschiedentlich bereits angesprochene Wahrnehmungsentzerrung, der der ‚Unaufmerksamkeitsblindheit‘ vorbeugt.
    Einige kennen das Gorilla-Experiment.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Unaufmerksamkeitsblindheit
    „Unaufmerksamkeitsblindheit (auch Blindheit wegen Unaufmerksamkeit; engl. inattentional blindness) ist die Nichtwahrnehmung von Objekten, bedingt durch die eingeschränkte Verarbeitungskapazität des menschlichen Gehirns.“
    Übersetzt in die Sprache der Unfallmeldungen: Übersehen.

    Man kann nämlich als ein Grundprinzip der niederländischen Radverkehrsführungen auch den Aspekt nennen, dass die Sichtbarkeit der Radfahrenden dadurch erhöht wird, dass sie konsequent aus der für sie im Zweifel fatalen Wahrnehmungskonkurrenz mit dem mot. Verkehr („Übersehen“) herausgenommen werden.

    Ich habe diesen Effekt kürzlich mal am Beispiel Ein- und Ausfahrten näher beleuchtet. Er gilt im Prinzip überall, wo sich Radverkehr und MIV mischen. Aber verschärft dort, wo aus Autofahrersicht komplziertere oder gefährlichere Manöver einen Großteil oder sogar ihre volle Aufmerksamkeit fordern, um nicht selbst zu Schaden zu kommen: Kreisverkehre, Linksabbiegen, Einfädeln in den Fließverkehr, Spurwechsel etc. Denn die eigene Sicherheit geht stets vor. Das ist keine Böswilligkeit der Autofahrenden, sondern so sind wir nun einmal gestrickt.

    Mein Beispiel:

    Die Fuß- und Radwege sind [in Dänemark und Niederlande] bei Ein- und Ausfahrten (fast) durchgängig nicht abgesenkt sondern halten ihr Niveau. Der begrenzende Kantstein ist zur Fahrbahn hin per Asfaltfüllung angeschrägt, um die Reifen der querenden Kfz zu schonen.

    Bei uns: Der Fuß- und (falls vorhanden) der Radweg werden bei den doch recht häufigen Ein- und Ausfahrten mit richtig viel Aufwand abgesenkt, um den Kfz-Führer möglichst schnell in den Fahrbahnverkehr einfädeln zu lassen (Prinzip Beschleunigungsspur). Dies verteuert den Strassenbau erheblich.

    Im direkten Gegensatz zur dänischen Bauweise ergeben sich bei uns, soweit ich sehe, drei sich gegenseitig verstärkende unfallbegünstigende oder sogar unfallprovozierende Faktoren.

    1. und vielleicht am schwerwiegendsten:

    Durch die bauliche Anlage als Quasi-Beschleunigungsstreifen wird die Aufmerksamkeit des Kfz-Führers schon vor dem Queren des Fuß- bzw des Radweges auf die Fahrbahn bzw auf den dortigen Kfz-Verkehr gelenkt, um eine geeignete Lücke zum Einfädeln zu erspähen.
    Kann der Kfz-Führende dagegen, wie in Dänemark, wegen des erhalten gebliebenen ’natürlichen‘ Niveauunterschieds erst nach dem Passieren von Geh-/Radweg beschleunigen, so ist es folgerichtig auch erst dann sinnvoll, die Aufmerksamkeit auf den querenden Kfz-Verkehr zu richten.
    Die Aufmerksamkeitsressourcen des Kfz-Führers werden nicht schon dann vom Fuß- und Radverkehr abgezogen, wo der Kfz-Führende diesen noch gar nicht gequert hat.

    Ähnlich beim Einfahren, wo es für den Kfz-Führer gilt, die Einfahrt zu treffen. Auch hier braucht es die Temporeduzierung durch den Kantstein, damit Aufmerksamkeitsressourcen für den querenden Fuß- und Radverkehr frei werden.

    Das wäre der Punkt Aufmerksamkeitssteuerung.

    2. Das erhalten gebliebene, als Verkehrsberuhigung wirkende Niveaugefälle (dänische Lösung) setzt die Geschwindigkeit des ein- oder ausfahrenden Kfz herab. Neben der erheblichen Verminderung der kinetischen Energie im Falle eines Unfalls ergibt sich schon vor dem Eintritt des Worst Case ein weiter geöffnetes Zeitfenster für unfallvermeidende Reaktionen beider Seiten.

    3. gibt es auch einen psychologischen Effekt. Das durchgehende Niveau und das durchgehende Baumaterial des Fuß- bzw Radwegs machen deutlich, dass sie – und mit ihm der Vorrang des Fuß- bzw Radverkehrs – auch an Ein- und Ausfahrten keineswegs unterbrochen sind. Je mehr die Ein- und Ausfahrten für die Bedürfnisse des sowieso nur sporadisch querenden Kfz-Verkehrs zugerichtet sind, desto höher ist der – dem Verkehrsrecht widersprechende – Vorfahrtsanspruch und mit ihm die Unfallgefahr.

    1. @darmstadtfaehrrad sagt: Antworten

      Danke Vorstadt Strizzi für die gute Ergänzungen.

    2. Auch die deutschen Straßenbaurichtlinien sehen vor, Radwege über Nebenstraßen nicht abzusenken, sondern auf Gehweghöhe durchzuziehen (Bild 86 der ERA 2010). Auch die EFA 2002 sieht dies vor, so dass die Abbiegegeschwindigkeiten gering sind, wenn über Radfahrstreifen abgebogen wird, wenn denn der Gehweg nach EFA gebaut wäre. Von daher sehe ich gar nicht, dass die deutschen Richtlinien schlecht sind. Die Behörden ignorieren sie halt nur permanent. zu Recht fordert daher der Radentscheid Darmstadt eine „Planung nach Stand der Technik“.

      1. @darmstadtfaehrrad sagt: Antworten

        Danke Jan für den Kommentar. Die ERA bietet eine ganze Menge guter Grundsätze und Design-Ansätze und ist daher, auch weil sie in Hessen nicht offiziel (wenn auch juristisch) eingeführt wurde, im Radentscheid als erstes Ziel verankert. Die ERA ist jedoch noch lange nicht perfekt und wird hoffentlich aber noch besser. So ist beispielsweise der freie Rechtsabbieger für Radfahrer Teil der Richtlinie (Bild 47). Das geht in Richtung rechts Abbiegen auf „Protected Intersections“. Im Gegensatz zum niederländischen Design, veranschaulicht der Vorschlag der ERA aber auch, wie sehr das Deutsche Radverkehrsdesign noch in den Kinderschuhen steckt. Beim vorgestellte Prinzip hakt es hier: Die Position der Aufstellflächen behindert Fußgänger. Die Niederländische Aufstellfläche für geradeaus fahrende Radfahrer direkt vorne am Bordstein, hat den Vorteil, dass Radfahrende noch besser gesehen werden (vorgezogene Haltelinien) und es gibt keine Kollisionen mit Fußgängern und rechts abbiegenden Radfahrenden. Bauliche immer wiederkehrende Elemente wie die Schutzinsel und die rote Farbe helfen dabei. Die Deutsche Inkonsequenz bei der Führung (vor allem an Kreuzungen), hat aus Deutschen Verkehrsteilnehmern unsichere Akteure gemacht, auch weil es keine eindeutigen Flächen gibt. Wie gut Radfahrende und Fußgänger im Seitenraum kommunizieren liegt in den Niederlanden an der langen Übung, aber vor allem an der eindeutigen, intuitiven Gestaltung von Infrastruktur. Was der ERA in aller Konsequenz noch fehlt, sind die wichtigsten Grundsätze der Gestlatung von Radverkehrsanlagen: 1. Sicherheit, 2. Direktheit, 3. Durchgängigkeit, 4. Attraktivität und 5. Komfort. Diese Basis der Niederländischen Regelwerke (CROW) sorgt dafür, dass am Ende mehr Menschen Rad fahren. An der Beschränkung auf Sicherheit allein, sind wir in Deutschland bislang erfolgreich gescheitert.

  3. Leider sind einige Darstellungen im Artikel nicht ganz richtig:
    1) Freie Rechtsabbieger empfehlen die deutschen Regelwerke seit längerem nicht mehr, wenn ein Radweg oder Radfahrstreifen gequert werden muss (vgl. z.B. Tabelle 15 der ERA 2010). Nur weil in Darmstadt die Straßen nicht den Regelwerken entsprechen, sollte man im Text und den Bildern nicht behaupten, dass diese falsche Gestaltung deutscher Baustandard wäre.
    2) Die deutschen Regelwerke sehen sowohl indirektes als auch direktes Linksabbiegen vor. Sie betonen: „Die direkte und die indirekte Führung des links abbiegenden Radverkehrs kann auch kombiniert angeboten werden.“ Das „deutsche Design“ zum Abbiegen ist gar kein deutsches Design, weil die Option zum indirekten Abbiegen fehlt, die auf stark befahrenen Straßen auch keine Option, sondern ein „Muss“ ist.
    3) Dass Radfahrer beim „niederländischen Design“ direkt gesehen werden können, stimmt nicht, wie das Bild gleich zu Beginn des Artikels zeigt: https://www.darmstadtfaehrtrad.org/wp/wp-content/uploads/2017/12/Kreuzung-NE-768×303.jpg Nur mit einem Schulterblick kann in dieser Situation ein Radfahrer gesehen werden, der sich der Kreuzung erst noch nähert. Im Autospiegel ist der Radfahrer nicht zu sehen und die B-Säule blockiert den Blick z.T.
    4) Es gibt in Deutschland und auch in den Niederlanden diverse Designs. So gibt es in Deutschland z.B. auch Bordsteinradwege und es gibt in den CROW der Niederlande auch Markierungslösungen auf der Fahrbahn.
    5) Das deutsche Beispiel zum Rechtsabbiegen ist keinesfalls das Standardbeispiel aus den Regelwerken. Bild 53 der ERA 2010 sieht durchaus ein Beispiel vor, dass Radfahrer auch rechts neben dem Rechtsabbieger einen Rechtsabbigerradweg bekommen können. In diesem Fall muss auch in Deutschland niemand in den Mischverkehr.

    Fazit: Es wäre schön, wenn der Stand der Technik in Deutschland hier nicht so falsch dargestellt würde, denn nur durch richtige Darstellungen bekommen wir in Deutschland auch die Behörden dazu, endlich die Radwege nach Stand der Technik zu bauen.

    1. @darmstadtfaehrrad sagt: Antworten

      Nochmal hallo Jan. Auch hier danke für die Ergänzungen. Lies doch nochmal Teil 2 zu den freien Rechtsabbiegern. Genau das wird da gesagt. In der Folge 1 und 2 (in der Fußnote ii) wird außerdem darauf hingewiesen, dass es sich bei der vorgestellten Niederländischen Kreuzung, um ein häufig verwendetes Design handelt, das aber nicht das einzige und vielleicht beste ist. International hat das Schutzinseldesign allerdings einige Berühmtheit erlangt, ist aber auch oft falsch interpretiert worden. Das Thema Kreuzungsdesign ist sehr komplex, so dass Du eine Doktorarbeit dazu schreiben könntest. Am Ende sind daher auch vier Teile (vielleicht kommen noch mehr) daraus geworden. Absicht war das Thema in kurzen Beschreibungen und knackigen Grafiken darzustellen. Alle Details kann man dabei nicht darstellen. Eine Kreuzung mit einem Freien Rechtsabbieger wird in Deutschland innerorts nicht mehr gebaut werden. Aber insbesondere in Darmstadt stehen noch viele davon rum und die Stadtverwaltung wird den Teufel tun, diese zurückzubauen. Daher wurde solch ein freier Rechtsabbieger in die Grafik aufgenommen. In Teil 3 siehst du jedoch in der Risiko+Streß-Grafik beim Rechtsabbiegen auch die Alternative ohne freien Rechtsabbieger.

  4. Das Bild vom LKW beim Geradeausfahren passt irgendwie nicht. Da ist eine Situation skizziert, in der der LKW-Fahrer ja schon im Abbiegevorgang ist, also schon auf dem Radfahrstreifen steht. Wenn er aber noch geradeaus fährt, kann er weite Teile des Radfahrstreifens über den rechten Hauptspiegel sehr gut einsehen. Einzig den Bereich rechts neben dem LKW kann er nicht über den Hauptspiegel einsehen. Dafür gibt es aber neue Spiegel an allen LKWs. Es wäre schön, wenn das Problem passend bebildert und beschrieben wird, damit Radfahrer die wirkliche Gefahr auch nachvollziehen können.

  5. Beim Beispiel Geradeausfahren fehlt leider ein Vorteil der deutschen Verkehrsführung: „Die Ereignisse des Abbiegens werden entzerrt, sodass sich die Autofahrer nacheinander auf ein Ereignis konzentrieren können: 1. Querung des Radfahrstreifens, 2. Abbiegen.“ Außerdem hat die deutsche Führung noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: Wenn nicht gerade Stau ist, dann ist der KFZ-Verkehr deutlich schneller als der Radverkehr. D.h. Radfahrer werden direkt durch die Frontscheibe des PKW/LKW gesehen und sie tauchen schon frühzeitig als „Hindernis“ auf dem Radstreifen auf, weil der KFZ-Führer genau dorthin blickt, wo er gleich hinfahren will. Von daher muss bei der deutschen Führung kein Schulterblick gemacht werden, wie das in den Niederlanden der Fall ist (bzw. bei LKWs kann man Radfahrer in den Niederlanden gar nicht per Schulterblick sehen, weil man nach rechtshinten blicken muss, wo keine Sicht besteht. Es wäre schön, wenn das ergänzt würde.

    1. @darmstadtfaehrrad sagt: Antworten

      Danke Susanne für den Kommentar. Leider liegt in Deiner Argumentation der Fokus rein auf der objektiven Sicherheit. Wie aber wirkt sich das deutsche Furtdesign auf die Akzeptanz unter Radfahrenden aus? Wie fühlen sich Rentner? Wird die Infra von Kindern benutzt? Oder fahren dann viele doch über die Fußgängeranlagen? Darmstadt fährt Rad sind diese Fragen sehr wichtig, weil für eine gelungene Verkehrswende vor allen darum geht, dass mehr Menschen gut und gerne Rad fahren.

      1. Soll das etwa bedeuten, dass DARMSTADTFAEHRTRAD hier nur die Vorteile und Nachteile erwähnt, die das gewünschte Fazit: „Das niederländische Design ist besser“ stützen? Ich will ja gar nicht das Gegenteil behaupten, fände es aber nur fair, dass hier alle Argumente auf den Tisch kommen, so dass sich jeder eine eigene Meinung bilden kann.

        1. @darmstadtfaehrrad sagt: Antworten

          Darmstadt fährt Rad stellt hier ein für die Niederlanden typisches Design vor, das sehr clever ist und für Alle gemacht. Darmstadt fährt Rad glaubt, dass das Deutsche Design mumpiz ist, weil es nicht für alle Radfahrenden gemacht ist. Wenn Du dieser Gestaltung etwas in dieser Hinsicht abgewinnen kannst, dann kannst Du das gerne hier erwähnen.

      2. Hallo.
        Kurz zum @darmstadtfaehrrad: Da fehlt ein „t“. 🙂
        Zur Radführung: Die ist nicht „objektiv sicher“. Sie mag unfallstatistisch unauffällig sein.
        Objektive Sicherheit ist aber etwas anderes.
        Sieht man sich z.B. in der Arbeit des Institut für empirische Soziologie an der Universität Erlangen- Nürnberg „Kinder als Radfahrer in der Altersstufe der Sekundarstufe I.“
        https://www.ifes.fau.de/files/2017/07/FUNK_2009_IfeS-Materialienband_2-2009.pdf

        die Tabelle „Erledigung von Fahraufgaben beim Fahrradfahren – nach Alter“ auf Seite 8 an, so erfährt man, dass beim „Fahren zwischen Begrenzungslinien“ zwischen 5 und 13 jährigen nur eine „sehr geringe Leistungsverbesserung“ zu verzeichnen ist.
        Erst ab zwischen 13 und 14 Jahren kommt es zu einem „sprunghafter
        Leistungsanstieg“.
        Hat man jetzt rechts und links Pkws oder sogar Lkws/Busse neben sich, dann geraten auch nicht wenige geübte Erwachsene in Schwierigkeiten. Entscheidet sich ein Kfz-Fahrer spät, doch noch schnell rechts abzubiegen (soll vorkommen) oder hält die Spur aus irgendwelchen Gründen nicht, dann ist’s aus.

        Eine Infrastruktur, die davon ausgeht, dass sich alle regelkonform und rücksichtsvoll verhalten, die ist, weil sie von völlig irrealen Voraussetzungen ausgeht, objektiv höchst unsicher. In der Realität sind Menschen sind mal müde, mal unaufmerksam oder abgelenkt und machen aus diesen oder anderen Gründen Fehler. Das muss Verkehrsinfrastruktur „einpreisen“. Sie muss fehlertolerant sein.

        Allgemein: Objektive Sicherheit darf man nicht mit statistischer Sicherheit verwechseln.
        Die objektive Sicherheit von Systemen wird anhand von sogenannten Indikatoren gemessen. In z.B. Ökosystemen sind dies die Spezies mit der geringsten „ökologischen Potenz“, d.h. diejenigen Arten mit der geringsten Widerstandskraft gegen systemfremde Einträge oder einwirkende Veränderungen.

        Auf den Strassenverkehr übersetzt wären das die Verkehrsteilnehmer mit der geringsten Risikotoleranz: Kinder, Senioren ud Frauen, etwa in dieser Reihenfolge.
        Um eine Aussage über die objektive Sicherheit einer Radverkehrsführung bzw eines Radverkehrsystems zu machen, müssten also die Anteile der Kinder, Senioren und Frauen gemessen werden, die diese Anlage bzw dies System nutzen. Je höher ihr Anteil, desto objektiv sicherer das System.

        Was auch auffällt: Die subjektive Sicherheit im Radverkehr ist dort am höchsten, wo auch die objektive Sicherheit (Anteil der risikointoleranten Gruppen am Radverkehr) und die statistische Sicherheit (zum Beispiel getötete Radfahrer/Mrd km) am höchsten ist: In den Niederlanden und in Dänemark. Diese drei Sicherheiten korrelieren offensichtlich sehr eng miteinander.
        Das Gegeneinanderstellen von sogenannter objektiver und subjektiver Sicherheit halte ich deswegen in den meisten Fällen für Unsinn.

  6. Im Text oben heißt es ja, dass das Radfahren in den Niederlanden sicherer sei als in Deutschland. Dazu gibt es hier jedoch eine ganz andere Analyse:
    https://radunfaelle.wordpress.com/vergleich-de-nl/
    Danach ist das Radfahren in den Niederlanden etwas gefährlicher als in Deutschland, obwohl sie so viele Radwege haben. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass die Niederlande wegen „safety in numbers“ einen deutlichen Sicherheitsvorteil haben müssten, weil dort etwas mehr Rad gefahren wird, dann ist in Deutschland das Radfahren deutlich sicherer. Von daher bin ich sehr skeptisch, dass das Kreuzungsdesign, welches hier vorgestellt wird, „de luxe“ ist.

    1. @darmstadtfaehrrad sagt: Antworten

      Das kann man sich nicht ganz so einfach machen wie in diesem Beitrag. In den Niederlanden fahren viel mehr Kinder und Senioren Rad. Das Unfallrisiko für diese Gruppen ist höher. Es ist fast unmöglich die Zahlen beider Länder zu vergleichen. Zum einen gibt es Unterschiede wie diesen, zum anderen gibt es keine einheitliche Erhebung der Zahlen. Zum Vergleich diesen Beitrag lesen: https://bicycledutch.wordpress.com/2018/04/25/more-cycling-fatalities-than-deaths-in-cars/

    2. Zu dem Link.
      Das ist keine Analyse. Das ist eine Konstruktion, also das genaue Gegenteil einer Analyse.
      Es werden (teils falsche) Daten völlig inkonsistent, da aus verschiedenen Jahren (Unfälle aus dem einen, Rad-Km Leistung aus dem anderen, Bevölkerungsgröße aus dem dritten) verwendet und quer durcheinander wieder zusammengeschraubt. Immer so, dass für die Niederlande das ungünstigste und für Deutschland das günstigste Ergebnis herauskommt.

      Zudem wird mit den Statistiken gepfuscht. Es werden nicht von beiden Ländern die veröffentlichten, also greifbaren, annähernd gleichwertigen polizeilichen Unfallstatistiken desselben Jahres herangezogen, sondern für die Niederlande die erweiterte Unfallstatistik, die zusätzlich Daten aus Krankenhäusern, Gerichten und der allg. Todesstatistik heranzieht, um das Dunkelfeld auszuleuchten, bzw die Untererfassung zu minimieren. Die gute niederländische (Rad-) Verkehrspolitik beruht auch auf vollständigen Datensätzen. Dieser Unterschied zwischen Getöteten Radfahrern lt. Polizeistatistik und lt. erweiterter Statistik betrug z.B. für 2009 in den Niederlanden immerhin 29%. Obendrein wird die erweiterte Statistik des Jahres genommen, das die meisten Getöteten ausweist.

      Im Ganzen und im Detail gesehen ergibt sich eine irreführende, um nicht zu sagen betrügerische Absicht.

      Leseempfehlung dazu:

      Peter Maier auf VeloCityRuhr setzt sich sehr kenntnisreich und detailliert mit diesem Machwerk auseinander. Ich zumindest habe den Artikel mit großem Gewinn gelesen.

      ‚Postfaktische Sachlichkeit? Wie versucht wird, durch falsche Berechnungen das Erfolgsmodell Niederlande schlechtzureden‘
      https://velocityruhr.net/blog/2016/12/25/postfaktisch/

    3. Hallo W. Maus

      Der Beitrag, den du verlinkt hast und der dich „skeptisch“ macht, ist ein gutes Beispiel für die Gewissenlosigkeit, mit der hierzulande über Jahrzehnte Radverkehrspolitik betrieben wurde – und zum Teil, der Link zeigt es, noch wird.

      Peter Maier hat sich diese angeblichen „Berechnungen“ auf VeloCityRuhr genauer angeschaut. Unbedingt lesenswert.

      „Postfaktische Sachlichkeit? Wie versucht wird, durch falsche Berechnungen das Erfolgsmodell Niederlande schlechtzureden “
      https://velocityruhr.net/blog/2016/12/25/postfaktisch/

      Einige Punkte:
      Die jeweils aus den Jahren 2014 – 2016 stammenden (teils falsch hochgerechneten) maßgeblichen Daten für Deutschland (Einw.Zahl, geradelte Km, Getötete Radfahrer) wurden so zusammengeschraubt, dass jeweils die für Deutschland günstigste Zahl verwendet wurde, ganz egal aus welchem Jahr.
      Das ist natürlich Blödsinn. Man kann nicht, Beispiel Deutschland, die Einwohnerzahl von 2016 (weil es die höchste ist) mit der (zudem falsch berechneten) Kilometerleistung von 2014 (weil sie wiederum die höchste von den dreien ist) multiplizieren und das Produkt mit den Getöteten Radfahrern von 2015 (weil es die niedrigste ist) verrechnen.

      Mit der Zahl der Getöteten verhält es sich ähnlich. Für Deutschland wird die Polizeistatistik zugrunde gelegt. Die gibt es für die Niederlande auch, auf die greift der Autor dieses Machwerks aber nicht zurück.
      Er nimmt stattdessen die Zahlen aus der NL-Statistikbehörde CBS.
      Die CBS erfasst die Toten aber nicht nur aus den Polizeiberichten, sondern sie hellt das beträchtliche Dunkelfeld auf, denn den Niederlanden ist an einer möglichst validen Datengrundlage gelegen. Es werden deshalb bei der CBS zusätzlich Daten aus Krankenhäusern, Sterbestatistiken und Gerichtsverfahren eingespeist.
      Verkehrstote sind nach europäischer Definition diejenigen, die bis zu 30 Tagen nach dem Verkehrsunfall an den Folgen gestorben sind. Besonders bei Alleinunfällen wird oft die Polizei nicht hinzugezogen.
      Für das Jahr 2009 wird für die Niederlande eine Fehlerquote (Untererfassung), also ein Unterschied zwischen niedrigerer Polizei- und höherer CBS-Statistik von 29% angegeben.

      Zum Schluss Peter Maier:

      „1.
      Die Fehldeutung von Studien und Statistiken zum Radverkehr hat eine lange Tradition (ich sage nur: „Studie“ der Berliner Polizei). Es lohnt sich, nicht alles zu glauben, sondern genau hinzusehen. Private Internetseiten (auch diese hier!) sind kein seriöser Ort für die Publikation von Ergebnissen, dazu gibt es Fachbücher und -zeitschriften. Wenn jemand daher kommt und unter Verweis auf Statistiken Behauptungen aufstellt, kann dabei beliebig großer Unsinn herauskommen, wenn dieser Jemand nicht in der Lage (oder nicht willens) ist, die methodischen Fallstricke zu erkennen. Nochmals: Belastbare Fakten findet man in der Fachliteratur, nicht im Internet!
      2.
      Radfahren ist sicher. Auch in Deutschland. Nicht so sicher wie in den Niederlanden, aber selbst bei Berücksichtigung eines Dunkelfelds ist die Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Unfalls winzig. Sage nicht ich, sondern die Fachliteratur. Niemand muss Angst haben.
      3.
      Subjektive und objektive Sicherheit sind kein Widerspruch. Die Niederlande zeigen: Man kann die weltweit attraktivste Infrastruktur haben und gleichzeitig das weltweit niedrigste Risiko für einen tödlichen Unfall. Das Gerede von grundsätzlich gefährlicher Separierung gehört endlich auf den Müllhaufen der Geschichte. Separierung erfordert sehr sorgfältige Planung, aber sie ist nicht grundsätzlich gefährlich. Jetzt heißt die Devise: Von Erfolgreichem lernen, statt es schlechtzureden.

  7. @darmstadtfaehrrad sagt: Antworten

    Danke nach HH für die Ergänzungen.

  8. Weil der Rechtsabbieger-Konflikt Unfallursache Nr. 1 ist, muss das Problem gelöst werden.
    Soweit scheint Einigkeit zu bestehen.
    Meiner Meinung nach ist die Ursache für den Rechtsabbieger-Konflikt die Separierung im Kreuzungsbereich nach Antriebsart.
    Auf Straßenabschnitten ohne Kreuzungen mag es auch in einer Stadt sinnvoll sein können, dass Autos 50 km/h fahren können und da ist eine Separierung nach Antrieb (und daraus resultierender potentieller Geschwindigkeit) dann sinnvoll.
    An Kreuzungen spielen die Geschwindigkeitsunterschiede eine wesentlich geringere Rolle als die Fahrtrichtungen.
    Also müsste an Kreuzungen nach Fahrtrichtungen separiert werden.
    Und das einzige Problem dabei ist, dass Radwege/Radfahrstreifen immer rechts der Fahrbahn verlaufen, also Rechtsabbieger den Radweg/Radfahrstreifen überqueren müssen.
    Das 30 oder besser 50 m vor die Kreuzung zu verlegen hat den Vorteil, dass sich dort Autofahrer wie Radfahrer auf diese Stelle konzentrieren können und nicht auf das gesamte Geschehen einer ganzen Kreuzung aufpassen müssen.
    An bzw, auf einer Kreuzung müssen Verkehrsteilnehmer auf vieles gleichzeitig achten und dadurch passiert es auch schneller, dass was „übersehen“ wird.
    Außer an Kreuzungen fahren alle Schrittgeschwindigkeit, dann ist es sicher, aber dann braucht man auch keine komplizierten Führungen, Extraspürchen und Inselchen …

    1. @darmstadtfaehrtrad sagt: Antworten

      Du schreibst von RiM, Radfahrstreifen in Mittellage. Deren Hintergedanke: „weniger gefährliches Spurwechsel-Manöver, im Vorfeld statt gefährlicher Abbiegesituation“. Eine Untersuchung im Auftrag des BMVI wurde zu Radfahrstreifen in Mittellage kürzlich durchgeführt (SHP Ingenieure). Leider wird sie momentan noch zurückgehalten. Daraus:
      „- keine generelle Verbesserung der Sicherheit durch RiM
      – geringfügig weniger Unfälle, aber anteilig mehr schwere Unfälle
      – Der Verlagerungseffekt im Verflechtungsbereich ist besonders problematisch, mehr als
      jeder 5. verlagerte Unfall hat schwerwiegende Folgen
      – Es gab deutliche Probleme mit der Kfz-Akzeptanz und dem daraus resultierenden Konfliktpotential
      im Verflechtungsbereich“

Schreibe einen Kommentar zu Jan Antworten abbrechen